Kind mit Pflegeeltern.

Pflegekind aufnehmen: Voraussetzungen & Aufgaben

Leben & Freizeit

Laut Statistischem Bundesamt waren 2017 75.000 Kinder und Jugendliche in einer Pflegefamilie untergebracht. Zum Vergleich: Im selben Jahr gab es gerade einmal 1.362 Adoptionen, wenn man verwandtschaftliche Adoptionen und solche von Stiefeltern nicht einberechnet. Damit ist die Vollzeitpflege für viele Paare und Alleinstehende eine gute Alternative, wenn sie einem Kind ein Zuhause geben wollen.

Der große Unterschied: Das Sorgerecht haben nach wie vor die leiblichen Eltern bzw. das Jugendamt oder ein Vormund.

Überlegst auch du, ein Pflegekind aufzunehmen? Gemeinsam mit dem Fachanwalt für Familienrecht Caspar B. Blumenberg von der Kanzlei Kahlert Padberg Rechtsanwälte Fachanwälte erkläre ich dir die wichtigsten Fragen zum Thema.

Was versteht man unter einem Pflegekind?

Als Pflegetochter oder Pflegesohn bezeichnet man Kinder, die vorübergehend oder dauerhaft bei einer anderen Person oder Familie leben statt bei ihren leiblichen Eltern. Die Alternative zu einem solchen Pflegeverhältnis ist für die meisten Kinder ein Leben im Heim oder in einer betreuten Kinder- und Jugendwohngruppe. Viele Pflegekinder kommen aus schwierigen familiären Verhältnissen, wo sie Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch erlebt haben. Für die Aufnahme erhalten die Pflegeeltern eine monatliche Pflegegeldleistung.

Was ist der Unterschied zu einem Adoptivkind?

Wer ein Kind adoptiert, erhält alle Rechte, die leibliche Eltern auch für ihr Kind haben. Sie sind dann rein rechtlich die Eltern des Kindes. Bei Pflegekindern sieht das anders aus. Der Fachanwalt für Familienrecht weiß: „Pflegeeltern haben kein Sorgerecht, sondern nur die Entscheidungsbefugnis für die ‚Alltagssorge‘, also für Regelungen, die häufig vorkommen und für die Entwicklung des Kindes keine nur schwer abzuändernden Auswirkungen haben. Das Sorgerecht haben meistens das Jugendamt oder ein Vormund, manchmal die leiblichen Eltern. Das hat erhebliche Auswirkungen auf den Alltag.“ Denn Pflegeeltern brauchen zum Beispiel bei Reisen die Zustimmung des Vormunds. Aber auch bei so banalen Dingen wie einer neuen Frisur oder Ohrlöchern, da diese das Äußere des Kindes stark verändern bzw. „die körperliche Unversehrtheit verletzen“. Letzteres gilt auch bei Impfungen oder medizinischen Eingriffen.

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Wie wird das Pflegeverhältnis rechtlich geregelt?

Sind Eltern mit der Pflege ihres leiblichen Kindes überfordert, können sie es in einer Pflegestelle abgeben. Das ist zum Beispiel bei schwerer Krankheit der Fall. Diese Kinder kommen dann in eine Bereitschaftspflege, manchmal auch nur tagsüber. „Oft vermittelt jedoch das Jugendamt die Pflege, wenn es bei den Kindern zuhause Missstände gibt“, erklärt Caspar B. Blumenberg. Das örtliche Jugendamt erstellt dann einen Hilfeplan und vermittelt die Kinder an Pflegefamilien oder Einrichtungen zur Vollzeitpflege. Es ist verpflichtet, die Verhältnisse des Kindes regelmäßig zu kontrollieren.

Welche Voraussetzungen sollten Pflegeeltern mitbringen?

Wer ein Pflegekind aufnehmen möchte, sollte besondere persönliche Voraussetzungen mitbringen. Derjenige muss

  • gesund sein.
  • drogenfrei sein.
  • ein angemessenes und sicheres Einkommen haben.
  • eine gewisse Belastbarkeit besitzen.
  • genügend Zeit haben, für das Kind zu sorgen.
  • mit dem Jugendamt, den leiblichen Eltern und Institutionen wie Kindergarten, Schule oder Therapeuten zusammen arbeiten wollen.
  • ausreichend Platz haben.
  • das Einverständnis der weiteren Familienmitglieder haben, auch der leiblichen Kinder.

Anders als bei Adoptiveltern spielt der Familienstand nur eine geringe Rolle. So haben Alleinstehende, ältere oder homosexuelle Paare bessere Chancen, ein Pflegekind aufzunehmen als eins zu adoptieren. „Für die Sozialarbeiter ist es wichtiger, dass die Pflegeeltern eine Erziehungskompetenz und psychische Stabilität sowie Zeit für das Kind haben, da Pflegekinder oft mit großen Problemen im Gepäck einziehen“, erklärt der Rechtsexperte. Daher gehören zum Alltag mit einem Pflegekind auch Besuchstreffen mit den leiblichen Eltern sowie häufig Therapietermine wie Ergotherapie oder Logopädie. Volle Berufstätigkeit und ein Pflegekind sind also schwer zu kombinieren. Ein eigenes Zimmer ist keine Voraussetzung – entscheidend ist vielmehr, dass sich das Pflegekind im neuen Zuhause wohlfühlt.

Wichtig ist auch, dass die eigenen Kinder mit dem neuen Familienmitglied einverstanden sind – ansonsten kann das Zusammenleben nicht funktionieren. Sind diese Voraussetzungen bei dir nicht gegeben, wird dich das Jugendamt wahrscheinlich ablehnen. Mache dir also am besten vorher bewusst, dass du eine große Verantwortung übernimmst. Auch wenn du nicht die gleichen Rechte wie leibliche oder Adoptiveltern hast, solltest du dem Kind ein genauso gutes Leben ermöglichen wollen wie leiblichen Kindern.

Wie wird man Pflegemutter bzw. Pflegevater?

Du erfüllst die Voraussetzungen und bist bereit, ein fremdes Kind mit besonderen Bedürfnissen bei dir aufzunehmen? Dann musst du zunächst einen Termin beim zuständigen Jugendamt deiner Stadt für ein persönliches Gespräch machen. In diesem ersten unverbindlichen Gespräch werden dich die Mitarbeiter über den Verfahrensverlauf informieren und dir erklären, was auf dich zukommt. Danach kannst du dich offiziell bewerben. Im nächsten Schritt folgt ein mehrtägiges Vorbereitungsseminar.

Für die Bewerbung sollten folgende Dokumente vorliegen:

  • Bewerbung als Pflegeeltern
  • Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses
  • Gesundheitsattest aller erwachsenen Pflegepersonen
  • Teilnahme an Schulungen
  • Teilnahme an Eignungsverfahren

Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt aus?

Wenn du ein Kind bei dir aufnimmst, werden die Sozialarbeiter vom zuständigen Jugendamt weiterhin wichtige Ansprechpartner für dich bleiben. Je nach Lage bekommst du zum Beispiel monatlich einen Supervisionstermin. Mindestens einmal im Jahr kommen das Jugendamt, die leiblichen sowie die Pflegeeltern zusammen, um den Hilfeplan weiterzuschreiben. Dazu Caspar B. Blumenberg: „Im Hilfeplan wird zum Beispiel festgelegt, wie intensiv der Kontakt zu Eltern und Geschwistern sein soll.”

Benötigst du weitere Hilfe, kannst du zum Beispiel auch eine Haushaltshilfe oder eine Hausaufgabenhilfe beantragen.

Welche finanzielle Unterstützung erhält man fürs Pflegekind?

Pflegeeltern bekommen für ihre Aufgabe finanzielle Hilfe wie monatliches Pflegegeld, Kindergeld und Steuervorteile. Der Pflegegeld-Betrag variiert von Kommune zu Kommune. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. empfiehlt je nach Alter des Kindes zwischen 714 und 875 Euro im Monat– daran orientieren sich die Kommunen.

Das Kindergeld wird teilweise mit dem Pflegegeld verrechnet: Ist das Pflegekind das älteste Kind im Haushalt wird die Hälfte des Kindergeldes angerechnet. Bei jüngeren Kindern ein Viertel.

Steht eine Klassenfahrt oder ein Urlaub an, kannst du zusätzlich beim Jugendamt Beihilfe beantragen. Hier bekommst du auch Geld für die Erstausstattung. „Pflegeeltern können auch den Beitrag für den Kindergarten vom Jugendamt verlangen, da dieser nicht vom Pflegegeld abgedeckt wird“, sagt Caspar B. Blumenberg.

Wie ist die Situation, wenn ich ein Verwandten-Pflegekind aufnehme?

Möchtest du deinen Neffen oder deine Enkelin in Pflege nehmen, da die Eltern mit der Betreuung überfordert sind? Dann brauchst du für diese „Verwandtenpflege“ keine staatliche Erlaubnis. Dies gilt bis zum dritten Verwandtschaftsgrad. Gleichzeitig erhältst du die gleiche Unterstützung wie andere Pflegeeltern.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einem das Pflegekind wieder abgenommen wird?

Gerade wenn bereits kleine Kinder in eine Familie kommen, werden sie schnell wie eigene Kinder aufgenommen und geliebt. Bei vielen Pflegemüttern und -vätern ist daher die Angst groß, dass einem das Pflegekind wieder abgenommen wird. Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit wirklich? „Kinder, die schon recht früh in eine Dauerpflege kommen, bleiben dort in der Regel auch“, erklärt der Fachanwalt. Die leiblichen Eltern sind in diesen Fällen meist so überfordert mit dem Kind, dass es dort nicht aufwachsen kann. Sie werden dann in ihrer neuen Familie erwachsen.

Allerdings bleiben 40 Prozent der Kinder nicht in ihrer Pflegefamilie. Die wenigsten von ihnen kehren jedoch zu ihren eigentlichen Eltern zurück. Vor allem Teenager landen häufig in betreuten Wohngruppen.

Um allen zukünftigen Pflegeeltern etwas Angst zu nehmen: Meist kann das Jugendamt schon recht früh einschätzen, ob eine Bereitschaftspflege von wenigen Wochen oder Monaten das Beste ist oder eine unbefristete Vollzeitpflege. Ist zum Beispiel die Mutter länger krank oder in Therapie, ist es wahrscheinlich, dass das Kind nach Genesung wieder in seine Herkunftsfamilie zurückkehrt.

Und was ist, wenn ich das Pflegekind adoptieren möchte?

„Eine Adoption ist nicht das Ziel eines Pflegeverhältnisses und damit sehr selten“, weiß Caspar B. Blumenberg. Meist gibt auch die leibliche Mutter das Kind gar nicht zur Adoption frei. Was allerdings häufig vorkommt, ist, dass die Kinder sich adoptieren lassen, wenn sie erwachsen sind. Dadurch erhalten sie die gleichen Rechte wie leibliche Kinder und können sich zum Beispiel für ihre Eltern einsetzen, wenn diese das nicht mehr selbst können.

Was kann ich tun, wenn ich mit der Pflege überfordert bin?

Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum Pflegeeltern das Kind nicht weiter betreuen können – vielleicht haben sie die Situation unterschätzt, der Bedarf war zu groß oder andere Familienmitglieder werden zu stark belastet. Wichtig ist dann, im Sinne des Kindes zu entscheiden, was das Beste für sie oder ihn ist. „Ist das Kind schon etwas älter, ist eine betreute Wohngruppe für junge Menschen meist die beste Alternative“, weiß der Familienrechtler. Ansonsten wird das Jugendamt für das betroffene Kind eine andere geeignete Pflegefamilie suchen. Wenn ihr möchtet, kann der Kontakt natürlich trotzdem bestehen bleiben.

Endet die Pflege mit dem 18. Geburtstag?

Nicht zwangsläufig. Gerade Kinder, die in einer Pflegefamilie aufwachsen, bleiben dort natürlich auch noch, wenn sie volljährig sind. Sollte dein Pflegekind in wenigen Monaten 18 werden, solltest du frühzeitig mit dem Jugendamt in den Hilfeplänen entsprechende Festlegungen treffen.

Beendet ihr das Pflegeverhältnis, gibt es formal keine Rechtsbeziehung mehr zwischen dir und deinem ehemaligen Pflegekind, ihr seid dann rein rechtlich „fremde Personen“. „Sie haben damit zum Beispiel keine Vertretungsbefugnisse im Umgang mit Behörden und auch in der Erbfolge wird das ehemalige Pflegekind nicht berücksichtigt“, erklärt Caspar B. Blumenberg. „Natürlich gibt es dann auch keine finanzielle Unterstützung mehr.“

Wollt ihr das Verhältnis jedoch fortführen, erhältst du weiterhin Pflege- und Kindergeld. Allerdings wird das Einkommen des Pflegekindes zu den Kosten der Jugendhilfe herangezogen. Lehrlingsentgelte oder das Geld für ein freiwilliges soziales Jahr gehen zu 75 Prozent an das Jugendamt, Schülerbafög, BAB oder Waisenrente zu 100 Prozent.

Was passiert bei einer Trennung der Pflegeeltern?

Haben du und dein Partner gemeinsam eine Vormundschaft für euer Pflegekind, müsst ihr im Trennungs– bzw. Scheidungsprozess auch klären, wer zukünftig für das Kind verantwortlich ist. Die Gerichte orientieren sich hierbei an den Lösungen für leibliche Trennungs- und Scheidungskinder. Denn gerade für Pflegekinder sind Beziehungen und Kontinuität wichtig.

Wir hoffen, nun alle Fragen zum Thema Pflegekinder beantwortet zu haben. Wichtig ist, dass man diese verantwortungsvolle Aufgabe mit viel Liebe und Geduld annimmt. Wer glaubt, für die Erziehung eines Kindes aus vielleicht schwierigen Verhältnissen geeignet zu sein, sollte einfach mal mit dem Jugendamt sprechen. Diese beraten dich gerne. Wer es nur auf die finanzielle Unterstützung abgesehen hat, sollte sich besser nach einer anderen Einnahmequelle umsehen.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 30. Januar 2019 veröffentlicht (Haftungsausschluss).

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Caspar B. Blumenberg ist Fachanwalt für Familienrecht und seit 1985 in der Kanzlei Kahlert Padberg Rechtsanwälte Fachanwälte am Standort Hamm. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Medizinrecht. Die 27 Rechtsanwälte und Mediatoren der Kanzlei sind Experten auf verschiedenen Gebieten des Wirtschaftsrechts und vertreten Unternehmen, Institutionen oder Privatpersonen.

Caspar B. Blumenberg

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Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Privatrechtsschutz“