Arbeitsunfall: Arbeiter mit Sicherheitsschuhen tritt in einen Nagel.

Unfall ist nicht gleich Unfall – wie man mit einem Arbeitsunfall richtig umgeht

Karriere & Beruf

Bei meinem alten Job musste ich als Pendlerin einen weiten Weg auf mich nehmen, um zur Arbeit zu kommen – Umsteigen inklusive. Als ich vom Arbeitsgelände ging, sah ich den Bus bereits die Türen schließen und sprintete los – bei 50 Minuten für einen Weg riskiert man es nicht, auch nur eine Minute länger irgendwo zu warten. Leider wurde mir das Kopfsteinpflaster dabei zum Verhängnis und ich knickte schwer um.

Zwar erkannte der Busfahrer meine Situation und wartete freundlicherweise, aber die Schmerzen waren auch am Abend nicht verschwunden, weshalb ich am nächsten Tag zum Arzt ging. Dieser stellte einen Bänderriss fest und fragte, nachdem ich ihm geschildert hatte, wie und wann es dazu gekommen war, nach der zuständigen Berufsgenossenschaft. Ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte und er erklärte mir: „Dieser Unfall war ein Arbeitsunfall“.

Damit du besser im Bilde bist, als ich es damals war, habe ich beim Anwalt für Arbeitsrecht, Lars Pätzhorn, von der Kanzlei Günther & Pätzhorn Rechtsanwälte einmal nachgefragt, welche Unfälle, als Arbeitsunfälle gelten und, was es zu diesem Thema noch zu beachten gilt.

Was steckt hinter dem Wort „Arbeitsunfall“?

Eigentlich ist der Begriff ja relativ selbsterklärend: ein Unfall, der während der Arbeit geschieht. So einfach, so gut. Ganz so einfach ist die Begriffsdefinition dann aber doch nicht, denn auch andere Personengruppen, neben den Arbeitnehmern, können Opfer eines Arbeitsunfalls werden. „Passiert einem Schüler etwas während der Schulzeit, oder einem Kindergartenkind während seiner Zeit im Kindergarten, so spricht man auch hier von einem Arbeitsunfall“, weiß Pätzhorn. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) SGB VII definiert Arbeitsunfälle als „…Unfälle, die versicherte Personen infolge der versicherten Tätigkeit erleiden. Dabei fungieren zuständige Berufsge­nossenschaften als verantwortliche Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, welche bei der Ausübung der betroffenen Tätigkeiten Schutz gewähren.“

Wenn der Weg zur Arbeit zum Verhängnis wird

Arbeitsunfälle müssen aber nicht zwingend am Arbeitsort geschehen, sondern als Arbeitsunfall gelten auch solche, die mit der Arbeit (indirekt) zusammenhängen wie zum Beispiel Betriebssport-oder –ausflüge. Oder wie in meinem Fall: der Arbeitsweg. „Der sogenannte Wegeunfall meint einen Unfall, der auf der Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz oder auf der umgekehrten Strecke geschieht. Auch bei einem solchen Unfall bleibt der Versicherungsschutz erhalten“, sagt der Experte. Der Versicherungsschutz beginnt und endet – auch bei Mehrfamilienhäusern – an der Außentür des Wohngebäudes. Lars Pätzhorn gibt jedoch auch zu bedenken: „Wegeunfall meint wirklich nur den direkten Weg.“ Wer also zwischen Arbeit und zu Hause noch schnell einkaufen geht und sich dabei verletzt, ist nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt. Nach Unterbrechungen des Weges lebt der Versicherungsschutz mit dem Erreichen des direkten Weges wieder auf, es sei denn, die Unterbrechung hat länger als 2 Stunden gedauert.

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Wie ist das mit der Mittagspause?

„Die gesetzliche Unfallversicherung im Rahmen eines Wegeunfalls deckt auch teilweise Unfälle während der Mittagspause ab“, weiß der Rechtsexperte. Wer in der Mittagspause das Arbeitsgelände verlässt, um sich mit Lebensmitteln für die Pause einzudecken und sich während dieses Weges verletzt, ist gesetzlich unfallversichert. „Ist dieser Einkauf in der Mittagspause jedoch überwiegend eigenwirtschaftlich, so muss die zuständige Berufsgenossenschaft nicht zahlen“, ergänzt der Jurist. Ferner endet der Versicherungsschutz an der Eingangstür des Restaurants oder des Einkaufsmarktes, da die Einnahme des Mittagessens als Grundbedürfnis anzusehen ist und es daher nicht darauf ankommt, ob jemand arbeitet oder nicht. Sobald man also die Kantine oder das Einkaufzentrum betritt und beispielsweise ausrutscht, haftet man selbst für diesen Unfall.

Das richtige Vorgehen nach dem Unfall ist entscheidend

Ist erst einmal ein Unfall während der Arbeit geschehen, muss man richtig vorgehen, damit der Versicherungsschutz durch den gesetzlichen Unfallschutz gegeben ist. Denn bei einem falschen Ablauf nach dem Arbeitsunfall kann es sein, dass die Versicherungsleistungen verweigert werden oder der Unfall einen ewig andauernden Rechtsstreit mit sich bringt.

Meldung des Unfalls beim Arbeitgeber

Jeder noch so kleine Unfall am Arbeitsplatz sollte dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden, wobei vorgefertigte Formulare, welche die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen kostenlos zur Verfügung stellen, genutzt werden können. Egal wie unbedeutend die Verletzung auf den ersten Blick erscheinen mag – auch ein Schnitt in den Finger kann im schlimmsten Fall eine Blutvergiftung nach sich ziehen. Wenn dieser Schnitt aber nirgends vermerkt ist, sei es beim Arbeitgeber direkt oder in einem Verbandsbuch, und dem Arbeitnehmer entstehen durch die Erstverletzung schlimmere Folgeschäden, hat dieser keinen Anspruch auf Versicherungsleistung durch den Arbeitgeber.

Besuch beim Durchgangsarzt

Hat man sich im Büro oder auf dem unmittelbaren Arbeitsweg verletzte, sollte man noch am Unfalltag, spätestens am darauffolgenden Tag, einen sogenannten Durchgangsarzt (abgekürzt auch D-Arzt genannt) aufsuchen. Ein Durchgangsarzt ist i. d. R. durch die Schwerpunktbildung auf Unfallchirurgie und / oder Orthopädie auf Arbeitsunfälle spezialisiert. „Ein solcher Arzt verfügt über eine zusätzlich gesonderte Zulassung von den Landesverbänden der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung“, so der Experte. Die freie Arztwahl gilt in diesem Fall also nur eingeschränkt. Im Anschluss an die Untersuchung übermittelt der Durchgangsarzt bei einer aus dem Unfall resultierenden Arbeitsunfähigkeit der Berufsgenossenschaft einen ärztlichen Bericht (D-Arzt-Bericht).

Meldung durch den Arbeitgeber bei der Berufsgenossenschaft

Dauert die Krankschreibung mehr als drei Tage, so ist auch der Arbeitgeber zu einer Meldung bei der Berufsgenossenschaft verpflichtet.

Wer zahlt was bei einem Arbeitsunfall?

Wegeunfälle und andere Arten des Arbeitsunfalls werfen teilweise die Frage auf, ob ein Anspruch auf Schmerzensgeld vorliegt. Sind Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen auf dem Betriebsgelände nur in seltenen Fällen zu dieser Entschädigungszahlung verpflichtet, kann dies bei Unfallverursachern auf dem Arbeitsweg schnell anders aussehen. Denn gerade bei Verkehrsunfällen ist es oft durchaus möglich, von der Kfz-Haftpflichtversicherung des Schuldigen Schadensersatz zu fordern. Dabei besteht oft auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld.

„Der Arbeitgeber kann Wegeunfälle kaum selbst verschulden. Selbst nach Arbeitsunfällen, die direkt in seiner Firma geschehen sind, wird dieser nur selten zu Zahlungen von Schmerzensgeld verurteilt. Denn dafür müsste der Nachweis vorliegen, dass der Firmeninhaber das Unfallgeschehen vorsätzlich herbeigeführt hat. Das ist meist unmöglich. Denn es gilt der Grundsatz: Der Arbeitgeber wünscht sich, dass keine Unfälle geschehen und handelt entsprechend.”, so der Experte.

Arbeitsunfälle sind auch deswegen von normalen Unfällen zu unterscheiden, weil in ihrem Fall nicht die Krankenversicherung in Anspruch genommen wird, sondern die gesetzliche Unfallversicherung bzw. der jeweilige Träger. Wenn dem verunfallten Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgeschrieben wird und er bereits vier Woche oder länger im Unternehmen tätig ist, hat er einen Anspruch auf Lohnfortzahlung. „Nach einem Arbeitsunfall wird ein Krankengeld in dieser Form bis zu sechs Wochen lang vom Arbeitgeber gezahlt“, informiert der Jurist. Hat der Arbeitnehmer sich auch nach sechs Wochen nicht von seinen Verletzungen erholt und ist dies bedingt arbeitsunfähig, besteht für den Arbeitgeber keine Zahlungspflicht mehr. „Ab der siebten Woche wird das Krankengeld als Verletztengeld bezeichnen und von der Berufsgenossenschaft übernommen“, so der Experte für Arbeitsrecht. Neben der Sicherung des Lebensunterhalts übernimmt die Berufsgenossenschaft auch die Kosten für Rehabilitationsmaßnahmen wie medizinische und berufliche Reha oder diverse Hilfsmittel wie Krücken, Rollstuhl, spezielle Schuhe, ein speziell umgerüstetes Auto oder auch die entsprechende Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder der Wohnung.

Also lieber den Bus vorbei fahren lassen und 10 Minuten in Kauf nehmen, als sechs Woche bandagiert mit Krücken zur Arbeit. Damit braucht man eindeutig noch länger für den Arbeitsweg.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 3. September 2018 veröffentlicht (Haftungsausschluss).

Unser Partneranwalt

Lars Pätzhorn

Lars Pätzhorn

Kanzlei Günther & Pätzhorn

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Arbeits- und Berufsrechtsschutz“