Seit 2020 beschäftigt uns die Corona Pandemie. Schon davor hat die Klimakrise Einzug in alltägliche, nationale wie globale Diskussionen genommen. Aber ein Thema ist noch viel älter und leider vielerorten in der Welt noch nicht ausgemerzt: der Schutz der Menschenrechte.
Inhalte zu Lieferkettengesetz
- Was genau ist eine Lieferkette?
- Lieferkettengesetz: Was regelt das neue Gesetz, für wen gilt dies und was bedeutet es für deutsche Unternehmen?
- Sorgfaltspflicht (§ 3) und Berichterstattungspflicht (§ 6)– Was muss man beachten?
- Welche Strafen drohen bei Verstoß gegen das Lieferkettengesetz?
- Klagemöglichkeiten und Haftung
Das in Deutschland ab 2023 geltende neue Lieferkettengesetz soll dabei helfen, den Schutz der Menschenrechte in den sogenannten Lieferketten zu verbessern. Dabei geht es um globale Lieferketten, deren Ursprung bis nach Deutschland reichen.
„Durch das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz werden Unternehmen verpflichtet, in Ihren Lieferketten Menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Es geht im Kern um die Verhinderung von Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Diskriminierung und mangelnde Sicherheitsstandards entlang der Lieferkette. Verhindert werden sollen Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren durch entsprechende Arbeitsbedingungen. Auch Umweltrisiken sollen abgewendet werden.“
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Doch was genau versteht man unter einer Lieferkette? Es gilt zu überprüfen, ab welchem Produktionsschritt oder ab welchem Moment der Dienstleistungserbringung das Unternehmen aufgefordert wird, zu reagieren. Denn das neue Gesetz schreibt die Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfalt vor. Und die endet nicht an bundesdeutschen Grenzen.
Daher wollen wir in diesem Ratgeber den Fragen genauer nachgehen, was das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz regelt und welcher Zweck erreicht bzw. welcher Mehrwert am Ende erzielt werden soll.
Auch kritische Stimmen äußern sich bereits zur Einführung des Lieferkettengesetzes. Sie befürchten eine zu hohe Belastung für deutsche Unternehmen und sehen in der Bekämpfung der Menschenrechtslage vielmehr eine politische Aufgabe. Demzufolge kommt es vor allem darauf an, welche Sorgfaltspflichten und Berichterstattungspflichten übernommen werden sollen. Auch diese Themen werden wir in diesem Ratgeber für Sie erörtern.
Zum Schluss werfen wir noch einen Blick auf bestehende Klagemöglichkeiten bzw. Haftungsfragen und beschreiben, was einem Unternehmer droht, wenn er seine Pflichten nach dem Lieferkettengesetz missachtet.
Was genau ist eine Lieferkette?
Zunächst ist zu bestimmen, was man unter einer Lieferkette versteht. Wie weit muss demnach ein Unternehmen seine Handlungsschritte beobachten und kontrollieren?
Eine Lieferkette bezieht sich nach Paragraph 2 Abs. 5 LkSG (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) auf sämtliche Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens.
Prof. Dr. Rolf Bietmann ergänzt hierzu: „Der Begriff Lieferkette wird vom Gesetzgeber weit gefasst. So sollen sämtliche Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens erfasst werden. Es geht darum, alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, mithin der gesamte Weg von der Rohstoffgewinnung bis zur Lieferung an den Endkunden, zu erfassen. Betrachtet wird das Handeln des Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich, das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers sowie das Handeln eines mittelbaren Zulieferers. Die Prüfungspflicht gilt damit für die gesamte Lieferkette.“
Das bedeutet, der einzelne Unternehmer soll spürbar mehr Verantwortung übernehmen, wenn es darum geht, nicht nur den eigenen Geschäftsbereich zu beobachten, sondern auch seine Zulieferer zu kontrollieren. Der Begriff Lieferkette ist in dem Zusammenhang ein äußerst dehnbarer, wenngleich der Fokus überwiegend auf den direkten Lieferanten des Unternehmens liegt.
Dennoch ist das Unternehmen selbst dazu aufgefordert, auch das Handeln der mittelbaren Zulieferer, also die Vertragspartner der direkten Vertragspartner, in Augenschein zu nehmen.
Lieferkettengesetz: Was regelt das neue Gesetz, für wen gilt dies und was bedeutet es für deutsche Unternehmen?
Als das neue Lieferkettengesetz bzw. das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet wurde, hat die deutsche Bundesregierung damit die geltenden UN‐ Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte umgesetzt. Die daraus entstandenen „Nationalen Aktionspläne waren vorerst auf freiwilliger Basis geschaffen worden. Diese Freiwilligkeit zeigte jedoch bei gerade einmal 13 –17 Prozent der Unternehmen, die die Anforderungen dieses Plans bis zum Jahr 2020 erfüllten, zu wenig Wirkung.
Im Zuge dieser Beobachtung sah sich die Regierung zum Handeln gezwungen und verabschiedete am 21. Juni 2021 das neue Lieferkettengesetz, welches am 01.01.2023 in Kraft treten wird. Das Gesetz gilt dabei für alle Unternehmen und alle Rechtsformen, die ihre Hauptverwaltung, ‐niederlassung oder den Verwaltungssitz in Deutschland haben und dabei mehr als 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen.
Ab dem 01.01.2024 beträgt der Schwellenwert nach Paragraph 1 Abs. 1 Satz 3 LkSG dann nur noch 1.000 statt der bisherigen 3.000 Arbeitnehmer. Betrachtet man die hohe Anzahl von Unternehmen (ca. 2.890), die 1.000 und mehr Mitarbeiter beschäftigen, erkennt man, dass die deutsche Wirtschaft zukünftig eine andere, neu ausgerichtete Sorgfalt an den Tag legen muss.
„Das alles hat einen guten Grund.“, sagt Prof. Dr. Rolf Bietmann. „Sklaverei wurde zwar vor mehr als 150 Jahren abgeschafft. Doch immer noch leben mehr als 40 Millionen Menschen in Formen moderner Sklaverei von der Zwangsarbeit über die Zwangsprostitution, politische Gefangenschaften, insbesondere auch Kinderarbeit, Rekrutierung von Kindersoldaten usw.“
Rund 160 Millionen Mädchen und Jungen sind nach Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation und der Schätzung von UNICEF in Kinderarbeit und genau darin liegt auch der gut nachzuvollziehende Sinn dieses Gesetzes, wenn die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen aktuell in dieser erschreckenden Häufigkeit gegeben sind. Es geht in erster Linie darum, weltweit herrschendes Elend und derartige Notsituationen, in denen sich Erwachsene wie Kinder befinden, vielleicht nicht sofort zu beenden, zumindest aber mittelfristig deutlich zu verbessern.
Denn auch Deutschland ist mit dafür verantwortlich, die Menschrechtssituation neu zu gestalten, solange Rohstoffe abgebaut und importiert werden, um unsere Textilien und unseren Morgenkaffee garantieren zu können.
Laut Definition sind Menschenrechte solche, die jeder einzelne aufgrund seines Menschseins hat, so beschreibt es die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in der „Magna Charta der Menschheit “ von 1948.
Das neue Lieferkettengesetz konkretisiert, in welchen Fällen von einer Menschenrechtsverletzung auszugehen ist.
Dazu zählen u. a. folgende Verbote:
- Beschäftigung von Kindern unter 15 Jahren
- Schlimmste Formen der Kinderarbeit, d. h. alle Formen der Sklaverei und Zwangsarbeit
- Ungleichbehandlungen aufgrund nationaler oder ethnischer Abstammung
- Keine angemessene Lohnzahlung
- Herstellung von quecksilberhaltigen Produkten
- Anwendung von Folter
- U. v. m.
Das Lieferkettengesetz gilt im Übrigen auch für die Unternehmen, die zwar einen Sitz im Ausland haben, jedoch eine Zweigniederlassung im Inland haben. Die Voraussetzung von mehr als 3.000 Arbeitnehmern im Inland (ab 01.01.2024: 1.000 Mitarbeiter) gilt demzufolge auch in diesem Fall.
Sorgfaltspflicht (§ 3) und Berichterstattungspflicht (§ 6)– Was muss man beachten?
Während das geltende Recht in Deutschland bisher nur eine Berichterstattungspflicht für Unternehmen vorsah, sind die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nun Hauptbestandteil des neuen Lieferkettengesetzes.
Wie sehen diese Sorgfaltspflichten konkret aus, die deutsche Unternehmen demnächst anzuwenden haben? Vorab müssen Unternehmen eine Grundsatzerklärung verabschieden, wonach sie sich zur Achtung der Menschenrechte verpflichten. Des Weiteren ist den Unternehmen nach den Paragraphen 4 und 5 des LkSG ein angemesseneres und wirksames Risikomanagement und eine ebensolche Risikoanalyse auferlegt worden.
Danach muss beispielweise unternehmensintern ein Menschenrechtsbeauftragter benannt werden. Gleichzeitig soll ein regelmäßiger Austausch mit der Geschäftsleitung stattfinden.
Auch sollen die Risiken in der Lieferkette sowohl lokalisiert, gewichtet und priorisiert werden. Zur Risikoanalyse gehört etwa auch die Überprüfung der Geschäftspartner. Dies kann entweder mithilfe von externen Dienstleistern erreicht werden oder über die Nutzung von Medienberichten und öffentlichen Quellen. Die Risikoanalyse umfasst dabei den gesamten Geschäftsbereich des Unternehmens. Darunter fallen neben den Zulieferern auch alle Tochtergesellschaften.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rolf Bietmann führt fort: „Das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz begründet in § 3 Pflichten für Unternehmen, jedoch weder eine Erfolgspflicht noch eine Garantiehaftung. Alle Sorgfaltspflichten stehen unter einem Angemessenheitsvorbehalt, der wiederum Unternehmen einen Ermessens- Handlungsspielraum einräumt.“
Allerdings werden die Unternehmen verpflichtet, ein Risikomanagement zur Überwachung ihrer Lieferketten einzurichten. Zudem müssen die Unternehmen einen Verantwortlichen für das Risikomanagement bestimmen. Sie sind verpflichtet, Risikoanalysen zur Ermittlung Menschenrechts- und umweltbezogener Risiken zu erstellen. Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten müssen Unternehmen dokumentieren und 7 Jahre aufbewahren. Schließlich werden die Unternehmen verpflichtet, ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einzurichten. So sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf mögliche Menschenrechts- oder umweltbezogene Risiken sowie Verletzungen im eigenen Geschäft des Unternehmens oder im Geschäftsbereich des Zulieferers erfassen.“
Im Bereich der Abhilfemaßnahmen ist das Unternehmen laut Lieferkettengesetz den direkten Zulieferern gegenüber verpflichtet, ein Konzept zur Minimierung bereitzuhalten. Gleiches gilt in der bestehenden Lieferkette für den Kontakt mit mittelbaren Zulieferern, allerdings nur „anlassbezogen“, d. h. das Unternehmen muss Kenntnis von dem Pflichtverstoß erlangt haben.
Auch ist ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einzurichten, das dem Unternehmen nach dem Erkennen von Missständen ermöglicht, jederzeit effizient einzugreifen.
Das Lieferkettengesetz sieht nach Paragraph 10 vor, dass das Unternehmen eine Aufbewahrungspflicht hinsichtlich einer fortlaufenden Dokumentierung hat. Darunter fallen beispielsweise der Jahresbericht oder der Entwurf eines Menschenrechtshandbuchs. Die Aufbewahrungsfrist beträgt sieben Jahre.
Welche Strafen drohen bei Verstoß gegen das Lieferkettengesetz?
Wenn ein Unternehmen die Anwendung der Sorgfaltspflichten missachtet, ist nun nach dem neuen Lieferkettengesetz mit empfindlichen Strafen zu rechnen.
Zunächst einmal wird dem Unternehmen jedoch im Falle einer Verletzung lediglich auferlegt, die erwähnten Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Ist dies über einen absehbaren Zeitraum nicht möglich, verlangt das neue Lieferkettengesetz einen konkreten Plan zur Minimierung oder gar Vermeidung.
„Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes wird das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle verpflichtet, die Einhaltung des Gesetzes zu überwachen. Es kontrolliert die Unternehmensberichte und geht eingereichten Beschwerden nach. Bei vorsätzlichen oder auch fahrlässigen Verstößen gegen Vorschriften des Gesetzes können Bußgelder von bis zu 800.000,00 € verhängt werden. Zudem droht der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge auf bis zu 3 Jahren. Dies ist eine für Unternehmen außerordentlich harte Strafe.“, so Prof. Dr. Rolf Bietmann.
Eingefügt worden ist in das Gesetz allerdings der Ausschluss einer zivilrechtlichen Haftung. Die Pflichtverletzungen aus dem Gesetz begründen mithin keine zivilrechtliche Haftung des Unternehmens. Diese wird vielmehr ausdrücklich ausgeschlossen. Hierdurch zielt der Gesetzgeber auf den Schutz der persönlichen Organhaftung der Geschäftsleiter ab. Dabei sind verschiedene Faktoren wie z. B. Ausmaß, Dauer und Auswirkung der Ordnungswidrigkeit zu berücksichtigen, die die Höhe des Bußgeldes bestimmen können. Wie bisher bekannt, sind die Bußgelder nach dem Lieferkettengesetz in Deutschland gestaffelt und können in Höhe von 800.000, 500.000 und 100.000 Euro verhängt werden.
Ist das Unternehmen mit einem größeren Jahresumsatz „hoch dotiert“, droht als sogenannte abweichende Regel sogar eine Millionensumme. Bei Unternehmen von einem Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro kann ein Bußgeld von stolzen zwei Prozent des Jahresumsatzes verhängt werden. Zum Jahresumsatz werden alle dazugehörenden Gesellschaften hinzugerechnet.
Klagemöglichkeiten und Haftung
In Zukunft werden also deutsche Unternehmen im Hinblick auf Verstöße gegen das Lieferkettengesetz strenger kontrolliert, als dies bisher der Fall war. Eine effektive Durchführung des Gesetzes wird durch eine Kontrolle durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gewährleistet. Das Bundesamt nimmt konsequenterweise dann auch Beschwerden von solchen Personen an, die von Menschrechtsverletzungen betroffen waren. Die zusätzliche Möglichkeit, Klage vor Gericht zu erheben, bleibt davon unberührt.
Zudem sollen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und deutsche Gewerkschaften zur Klage ermächtigt werden. Sie dürfen im Ausland Betroffene bei der Vertretung ihrer Rechte in Gestalt der sogenannten Prozessstandschaft vor deutschen Gerichten unterstützen.
Damit Unternehmen im Falle einer Pflichtverletzung etwa gegen Ordnungswidrigkeiten rechtliche Unterstützung erfahren, ist der Abschluss eines Strafrechtsschutzes, der die Übernahme von Verteidigungskosten beinhaltet, zu empfehlen. Gleiches gilt beim Top Manager‐Rechtsschutz bzw. Führungskräfte‐ Rechtsschutz.
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 10. November 2021 veröffentlicht (Haftungsausschluss).
Unser Partneranwalt
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rolf Bietmann ist Spezialist im Arbeits-und Erbrecht. Er steht Unternehmern und Arbeitnehmern gleichermaßen als Anwalt und Wirtschafsmediator zur Verfügung, wobei der Schwerpunkt auf Führungskräften, Geschäftsführern und Vorständen von Unternehmen liegt. Überregional bekannt ist die Kompetenz im Bereich des Krisenmanagements und bei Compliance-Themen privater und öffentlicher Unternehmen u.v.m. Prof. Dr. Rolf Bietmann ist geschäftsführender Partner der Sozietät Bietmann, welche ihren Stammsitz in Köln und weitere Niederlassungen u.a. in Berlin, Bonn, Erfurt, Duisburg und München hat.
Prof. Dr. Rolf Bietmann
Kanzlei Bietmann Rechtsanwälte Steuerberater