Kontostand wird geprüft.

Erwerbsminderungsrente: Voraussetzung, Berechnung, Antrag u.v.m.

Karriere & Beruf

Plötzlich kann sich das Leben durch eine Krankheit oder einen Unfall schicksalhaft wenden. Denn oft können Betroffene dann nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen. In solchen Fällen greift mit der Erwerbsminderungsrente ein Sicherungsnetz der Deutschen Rentenversicherung.

Doch das Thema ist komplex. In diesem Ratgeber erklären wir dir, was genau die Erwerbsminderungsrente ist und wo der Unterschied zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderungsrente liegt. Ebenfalls erfährst du, ob du die Voraussetzungen erfüllst, wie du die Renten-Höhe berechnest und wie du einen Antrag stellst. Zudem geben wir Antworten darauf, wie es mit der Erwerbsminderungsrente bei Arbeitslosengeld, Nebenjob und Selbständigkeit aussieht und wie sich der Übergang in die Altersrente gestaltet.

Was ist eine Erwerbsminderungsrente?

Altersrente, Frührente, Hinterbliebenenrente und Co. – bei der Vielzahl der Begriffe im Bereich Rente stellt sich die Frage: Was ist die Erwerbsminderungsrente überhaupt? Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, das reguläre Rentenalter aber noch nicht erreicht hat, bekommt die Erwerbsminderungsrente.

„Am 1. Januar 2001 löste die Erwerbsminderungsrente das zweigliedrige System aus Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigenrente ab”, geht Sören Riebenstahl auf die Hintergründe ein. § 43 SGB 6 unterscheidet eine volle Erwerbsminderungsrente bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit und eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei begrenzter Arbeitsfähigkeit.

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Welche Voraussetzungen gibt es für die Erwerbsminderungsrente?

Wie schwer ist es, eine Erwerbsminderungsrente zu bekommen? Die Hürden liegen hoch. So müssen sowohl versicherungsrechtliche als auch medizinische Voraussetzungen erfüllt sein.

Versicherungsrechtliche Voraussetzungen für Erwerbsminderungsrente

Grundvoraussetzung ist, dass der Betroffene das Alter für die reguläre Altersrente noch nicht erreicht hat. Zudem müssen folgende Punkte erfüllt sein:

  • Vor Eintritt der Erwerbsminderung muss man mindestens fünf Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sein – die sogenannte Wartezeit.
  • In den letzten fünf Jahren vor der Erwerbsminderung müssen mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt worden sein.
  • Unter die Wartezeit fallen nicht nur Zeiträume, in denen Pflichtbeiträge geleistet wurden. Auch Zeiten, in denen Krankengeld, Arbeitslosengeld I oder II oder Übergangsgeld bezogen wurde, zählen dazu. Ebenso wie z.B. Zeiträume freiwilliger Beiträge, Kindererziehungszeiten, Zeiten der nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege und Zeiten aus einem Rentensplitting.

Medizinische Voraussetzungen für Erwerbsminderungsrente

Das SGB definiert für die Erwerbsminderungsrente keine Voraussetzungen von spezifischen Krankheiten. Daher prüft der Rentenversicherungsträger in jedem einzelnen Fall die medizinischen Hintergründe. Die Frage, bei welchen Krankheiten man Erwerbsminderungsrente bekommt, lässt sich so pauschal nicht beantworten.

Zunächst wird versucht, dem Antragsteller durch Rehabilitations-Maßnahmen zu ermöglichen, seinen Lebensunterhalt wieder selbst zu bestreiten. Für die Erwerbsminderungsrente können die Voraussetzungen bei Depression beispielsweise eine psychotherapeutische Therapie sein. Oder die Erwerbsminderungsrente bei einem künstlichen Kniegelenk wird erst gezahlt, wenn auch technische Hilfsmittel ein normales Arbeitsleben nicht praktikabel machen. „Da die Rentenversicherung immer den Einzelfall prüft, spielt es keine Rolle, ob die Erwerbsminderungsrente für mehrere Krankheiten beantragt wird”, erklärt Anwalt Sören Riebenstahl.

Volle und teilweise Erwerbsminderung

Doch auch wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, wird nicht immer die volle Erwerbsminderungsrente nach der Reha gewährt. Diese erhalten nur Betroffene, die nicht mehr als drei Stunden täglich arbeiten können. Ist ein Arbeiten von maximal sechs Stunden zumutbar, wird eine teilweise Erwerbsminderungsrente bewilligt, wenn nicht ausnahmsweise der in Betracht kommende Arbeitsmarkt als verschlossen gilt. Denn dann kann selbst bei teilweiser Erwerbsminderung eine Vollrente in Betracht kommen. Allerdings sind die Zahlungen in den meisten Fällen befristet. Sobald sich der Gesundheitszustand verbessert, kann die Rente wieder entzogen werden.

Sonderregelung für Geburtsjahre vor 1961

Wer vor 1961 geboren wurde, genießt den so genannten Vertrauensschutz. Das bedeutet, dass Antragsteller aus diesen Jahrgängen nach den Voraussetzungen der vor 2001 geltenden Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigenrente bewertet werden. Demnach prüft der Rentenversicherungsträger, ob der Betroffene noch mindestens sechs Stunden in seinem erlernten oder einem gleichwertigen Beruf arbeiten kann. „Wird eine Berufsunfähigkeit attestiert, kann aber gleichzeitig eine Tätigkeit über sechs Stunden in einem anderen Bereich zugemutet werden, besteht ein Anspruch auf teilweise Erwerbsminderungsrente”, geht Rechtsanwalt Sören Riebenstahlauf die Details ein. Hingegen spielt für alle ab 1961 Geborenen die Berufsfähigkeit keine Rolle mehr. Hier ist die allgemeine Erwerbsfähigkeit entscheidend.

Wie hoch ist die Erwerbsminderungsrente und wie berechnet man diese?

Wie hoch die Erwerbsminderungsrente ausfällt, hängt vom persönlichen Rentenanspruch ab. So spielt es für die Höhe der Erwerbsminderungsrente eine Rolle, wie viele Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt wurde. Zudem fließen die Entgeltpunkte und die Zeit bis zum regulären Renteneintritt mit in die Berechnung ein.

Die Erwerbsminderungsrente lässt sich nur individuell berechnen. Mit Hilfe eines Erwerbsminderungsrenten-Rechners lässt sich die persönlich zu erwartende Rente schnell kalkulieren. Die Höhe der teilweisen Erwerbsminderungsrente ist halb so hoch wie die volle.

Wirkt sich eine Rentenanpassung auf die Erwerbsminderungsrente aus?

Von einer Rentensteigerung sind alle gesetzlichen Renten betroffen. Somit mussten auch die Bezieher einer Erwerbsminderungsrente auf eine Erhöhung 2021 verzichten, wenn sie im Westen lebten. Hingegen war die Erwerbsminderungsrente 2020 im Westen noch um 3,45 Prozent gestiegen.

Seit dem 1. Januar 2021 verlängert sich die Zurechnungszeit für die Erwerbsminderungsrente auf 65 Lebensjahre und zehn Kalendermonate. Dadurch wird sie aufgewertet und die Betroffenen erhalten eine höhere Rente. Denn erwerbsgeminderte Menschen werden so gestellt, als hätten sie einen längeren Zeitraum zu ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen weitergearbeitet und Beiträge gezahlt.

Wie oft kann die Erwerbsminderungsrente verlängert werden?

In der Regel ist die Erwerbsminderungsrente auf drei Jahre befristet. Danach kann sie um weitere drei Jahre verlängert werden. „Nach drei Befristungen mit neun Jahren liegt nach § 102 Absatz 2 Satz 5 SGB 6 ein Dauerzustand vor. Danach muss die volle Erwerbsminderungsrente unbefristet erteilt werden”, erläutert Rechtsanwalt Sören Riebenstahl.

Wie beantrage ich die Erwerbsminderungsrente?

Der Antrag auf Erwerbsminderungsrente muss bei der Deutschen Rentenversicherung gestellt werden. Das ist über diesen Link online möglich. Allerdings wird die Rente erst ab dem siebten Monat der Erwerbsminderung gezahlt. Zuvor besteht Anspruch auf Krankengeld. Dennoch sollte die Erwerbsminderungsrente zeitnah beantragt werden.

Für den Antrag auf Erwerbsminderungsrente können diese Tipps hilfreich sein:

  • Namen und Anschriften der behandelnden Ärzte bereithalten
  • Liste der Krankenhaus- bzw. Reha-Aufenthalte erstellen
  • chronologische Liste der bisherigen Beschäftigungsverhältnisse beifügen

Gutachter der Deutschen Rentenversicherung prüfen, ob der Antrag auf Erwerbsminderungsrente die Voraussetzungen erfüllt und ob und in welchem Umfang noch Erwerbsfähigkeit besteht.

Fast jeder zweite Antrag auf Erwerbsminderungsrente wird abgelehnt. „Hier kann der Betroffene mit einem formlosen Brief Widerspruch einlegen. Erfolgt daraufhin erneut eine Ablehnung, kann beim Sozialgericht Klage eingereicht werden”, klärt Rechtsanwalt Sören Riebenstahl auf. Eine Rechtsschutzversicherung, die bei der Anwaltssuche unterstützt und die Kosten übernimmt, kann hilfreich sein.

Erwerbsminderungsrente in Verbindung mit Arbeitslosengeld oder Nebenjob – was muss man beachten?

Erwerbsminderungsrente Hinzuverdienst

Die Erwerbsminderungsrente reicht nicht, um davon zu leben. Daher darf sowohl bei vollem als auch bei teilweisem Anspruch auf Erwerbsminderungsrente einem Nebenjob nachgegangen werden. „Auch wenn grundsätzlich bei voller Erwerbsminderungsrente ein 450-Euro-Job gesetzlich erlaubt ist, sollten sich Betroffene vor Beginn der Tätigkeit beraten lassen”, empfiehlt Anwalt Sören Riebenstahl. Denn die Höhe des Hinzuverdienstes bei Erwerbsminderungsrente ist beschränkt auf maximal 6.300 Euro pro Jahr.

Volle Erwerbsminderungsrente und Arbeitslosengeld

Eine Arbeitslosigkeit kann in eine Erwerbsminderung übergehen, wobei letztere auch rückwirkend festgestellt werden kann. Da das Arbeitslosengeld in der Regel höher als die Rente ist, stellt sich die Frage, wie die Verrechnung des Arbeitslosengeldes mit der Erwerbsminderungsrente geregelt ist. „Der Teil des bereits ausgezahlten Arbeitslosengeldes, der höher ist als die nachträglich gewährte Rente, muss nicht erstattet werden”, sagt Sören Riebenstahl.

Komme ich automatisch von der Erwerbsminderungsrente in die Altersrente?

Der Übergang von voller Erwerbsminderungsrente in die Altersrente erfolgt ab dem 65. Lebensjahr automatisch. Ab dem 60. Lebensjahr kann mit einem schriftlichen Antrag beim Rentenversicherungsträger eine Umwandlung beantragt werden. Allerdings bringt der vorzeitige Bezug Abstriche in der Rentenhöhe mit sich. Der Abschlag beträgt bei der Altersrente 0,3 Prozent für jeden Monat vor der Vollendung des 65. Lebensjahres. Wer beispielsweise seine Erwerbsminderungsrente zum 63. Geburtstag in die Altersrente umwandelt, muss einen Abschlag von insgesamt 7,2 Prozent hinnehmen.

Erwerbsunfähigkeit bei Selbstständigen

Auch Selbstständige können eine Erwerbsminderungsrente beantragen, sofern sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie müssen mindestens 60 Pflichtbeiträge auf freiwilliger Basis in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Damit ist die fünfjährige Versicherungszeit sichergestellt.
  • Zudem müssen sie in den letzten fünf Jahren für mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge gezahlt haben.
  • Sie müssen früher einmal gesetzlich versichert gewesen sein.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 18. Februar 2022 veröffentlicht (Haftungsausschluss).

Rechtsanwalt Sören Riebenstahl ist seit 2005 Partner der Kanzlei Winter Rechtsanwälte in Bergisch Gladbach. Er ist Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht und betreut dort unteranderem auch Geschäftsführer, AG-Vorstände und leitende Angestellte. Außerdem verfügt er weitere Kenntnisse über gewerblichen Rechtsschutz, Marken- und Urheberrecht und viele weitere Themen. Sören Riebenstahl hilft Mandanten in unterschiedlichen Lebenslagen des beruflichen und sozialen Bereiches. Neben dem Standort Bergisch Gladbach ist die Kanzlei Winter Rechtsanwälte noch in Köln vertreten.

Sören Riebenstahl

Sören Riebenstahl

Kanzlei Winter Rechtsanwälte

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Arbeits- und Berufsrechtsschutz“