Frauen verdienten 2022 in Deutschland im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer. Das hat das Statistische Bundesamt berechnet. Diese geschlechtsspezifische Lohnlücke wird als Gender Pay Gap bezeichnet. Ein Teil dieser Lücke lässt sich mit sogenannten strukturellen Unterschieden erklären: Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit und in Minijobs, seltener in Führungspositionen und ergreifen oft Berufe, die schlechter bezahlt sind.
Aber: Wenn man Frauen und Männer vergleicht, die in der gleichen Branche und gleichen Position gleich viel arbeiten, ergibt sich immer noch eine Lohnlücke von sieben Prozent.
Im Sommer 2017 hat die Bundesregierung ein Gesetz verabschiedet, das dem entgegenwirken soll: Das Entgelttransparenzgesetz. Mitarbeitende haben seither einen Auskunftsanspruch. Was das konkret heißt, erklärt Rechtsanwalt Dr. Stephan Renners, Fachanwalt für Arbeitsrecht von der Kanzlei Kahlert Padberg Rechtsanwälte.
Neues BAG-Urteil zur ungleichen Bezahlung – Was bedeutet das konkret?
Am 16.02.2023 erging am Bundesarbeitsgericht in Erfurt ein wichtiges Gerichtsurteil mit Signalwirkung für die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern. Eine Vertriebsmitarbeiterin hatte geklagt, da sie bei gleicher Qualifikation deutlich weniger verdiente als ein männlicher Kollege. Dieser wurde außerdem nur zwei Monate vor ihr eingestellt. Das Bundesarbeitsgericht sprach der Dresdnerin eine Gehaltsnachzahlung von 14.500 Euro und eine Entschädigung von 2.000 Euro zu. Nach diesem Urteil darf es dementsprechend keine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts mehr geben.
Doch was genau bedeutet dies für Arbeitgeber? Für die Gehaltsverhandlungen sind nur Kriterien wie Qualifikation und Berufserfahrung ausschlaggebend – das Verhandlungsgeschick entfällt als Kriterium völlig. Wer also gleiche Voraussetzungen hat, sollte auch gleich viel verdienen. Unternehmen ohne klassisches Vergütungssystem könnten rechtliche Konflikte drohen. Für Arbeitgeber ist es nun also wichtig, sich einen klaren Überblick über die Gehaltsstrukturen zu verschaffen, um mögliche Missstimmungen zu vermeiden und abzuwägen, an welchen Stellen Gehälter angepasst werden könnten.
Worüber muss der Arbeitgeber Auskunft geben?
Laut Lohntransparenzgesetz kannst du von deinem Arbeitgeber verlangen, dass er dir das mittlere Gehalt einer Vergleichsgruppe von mindestens sechs Angestellten des anderen Geschlechts mitteilt. „Beispielsweise könnte eine Ingenieurin, die in einem Team mit sieben männlichen Kollegen arbeitet, das mittlere Bruttogehalt dieser Gruppe anfragen plus zwei typische Gehaltsbestandteile wie zum Beispiel Boni oder Erschwerniszulagen“, erklärt Rechtsanwalt Stephan Renners. Zudem kann sie erfragen, nach welchen Kriterien und Verfahren die jeweiligen Gehälter bestimmt wurden. Umgekehrt kann natürlich auch ein männlicher Arbeitnehmer das mittlere Gehalt seiner Kolleginnen erfragen. „Auskunft über das Gehalt eines einzelnen Arbeitnehmers darf das Unternehmen Dritten natürlich nicht geben“, stellt Dr. Stephan Renners klar.
Für welche Unternehmen gilt das Entgelttransparenzgesetz?
Das Gesetz gilt für Unternehmen mit regelmäßig mindestens 200 Angestellten. Wie bereits erklärt, braucht es für die konkrete Auskunft zudem eine Vergleichsgruppe von mindestens sechs Personen des anderen Geschlechts. „Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeitende haben, müssen grundsätzlich regelmäßig ihre Gehaltsstrukturen überprüfen und darüber berichten, wie sie Entgeltgleichheit herstellen“, sagt der Rechtsexperte.
Kritiker des Entgelttransparenzgesetzes sehen genau in diesen Größenvorgaben von mindestens 200 bzw. sechs Personen die Schwäche des Gesetzes. Denn: Zwei Drittel aller Beschäftigten in Deutschland arbeiten in Klein- und Kleinstbetrieben, für die die Regelung nicht gilt. Und auch sechs Personen des anderen Geschlechts bekommt man nicht immer zusammen, insbesondere je höher die Hierarchiestufe ist. Was darüber hinaus eine vergleichbare Tätigkeit ist, liegt zudem auch immer im Auge des Betrachters…
Wie kann man Auskunft verlangen?
Die Information können Interessierte alle zwei Jahre in Textform, das heißt per Brief oder E-Mail anfordern. Entweder richten sie ihre Anfrage direkt an die Personalabteilung oder sie stellen sie anonym über den Betriebsrat, sofern es einen gibt. „Um Formfehler zu vermeiden, empfehle ich, die Vorlage des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend zu verwenden“, so Dr. Stephan Renners. Diese findest du hier.
Wie lange hat das Unternehmen Zeit für die Auskunft?
Drei Monate hat der Arbeitgeber Zeit, die Anfrage zu beantworten. Ausnahme: „Bei Betrieben, die tarifgebunden oder tarifanwendend sind, gibt es keine Frist“, schränkt der Rechtsanwalt ein. „Sie können zudem bei der Frage nach den Kriterien, die zur Festlegung der Gehälter zu Grunde gelegt wurden, einfach auf die Tarifregelungen verweisen.“
Was kann man tun, wenn man eine unfaire Bezahlung aufgedeckt hat?
„Sollten Sie erfahren, dass Ihr Gehalt unter dem der Vergleichsgruppe liegt, können Sie sich im ersten Schritt an die Personalabteilung oder den Betriebsrat wenden“, empfiehlt der Fachanwalt für Arbeitsrecht. Solltest du hier nicht weiterkommen, hast du die Möglichkeit, deinen Anspruch auf das gleiche Entgelt einzuklagen. Was ist aber, wenn du Sorge vor Nachteilen hast, weil du die Auskunft überhaupt angefordert hast? Der Rechtsexperte: „Nach dem sogenannten Maßregelungsverbot gemäß 612a BGB ist es untersagt, Menschen deshalb zu benachteiligen, weil sie von ihrem Recht – zum Beispiel dem Auskunftsrecht – Gebrauch machen.“
Tatsächlich haben noch nicht viele Bürgerinnen und Bürger das Auskunftsrecht nach dem Lohntransparenzgesetz genutzt. Das hat sicherlich auch mit den oben genannten Hürden zu tun. Nichtsdestotrotz: Sind bei dir die Kriterien erfüllt, solltest du dir überlegen, ob du von diesem Recht Gebrauch machen willst. Denn: Sollte es bei dir einen Pay Gap geben, kann das auf das gesamte Arbeitsleben gesehen einen großen finanziellen Nachteil bedeuten. Wie hoch dieser ist, kannst du mit der Pay Gap App berechnen. Das Statistische Bundesamt stellt auch einen online Gender Gap Simulator zur Verfügung, der drei Szenarien aufzeigt, wie sich Änderungen bestimmter Strukturen auf Verdienstungleichheit auswirken.
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 17. März 2020 veröffentlicht und am 04. April 2023 aktualisiert (Haftungsausschluss).
Unser Partneranwalt
Rechtsanwalt Dr. Stephan Renners ist seit 15 Jahren als Fachanwalt für Arbeitsrecht und als Mediator tätig. Er ist Partner der Kanzlei Kahlert Padberg, die Standorte in Hamm, Leipzig und Halle unterhält. Insgesamt sind 27 Berufsträger für die Kanzlei auf verschiedenen Gebieten des Wirtschaftsrechts tätig. Fast alle Rechtsanwälte der Kanzlei verfügen über einen oder mehrere Fachanwaltstitel.
Dr. Stephan Renners
Kanzlei Kahlert Padberg