Älteres Pärchen macht sich Gedanken über sein Erbe.

Erbe: Nachlass, Erbfolge, Erbe ausschlagen u.v.m.

Leben & Freizeit

Das deutsche Erbrecht ist komplex. Themen wie die gesetzliche Erbfolge, der Nachlass sowie der Tod generell sind für Familien keine heiteren Gesprächsanlässe. Dennoch ist es wichtig die Rechte, Pflichten und Ansprüche rund um das Erbe zu kennen.

Manchmal hört man aus dem Bekanntenkreis einige, teils sehr traurige Geschichten darüber, dass unter Angehörigen nach dem Tod eines Familienmitglieds eine Erbauseinandersetzung um den Nachlass ausgebrochen ist. Vielleicht ist dies in deiner Familie auch schon vorgekommen oder bahnt sich aktuell an. Dabei ist ein Todesfall allein schon schlimm genug.

Hier geht es oft gar nicht um Habgier. Viel häufiger sind Missverständnisse zu Lebzeiten oder unklar formulierte Testamente der Grund für einen Konflikt.

Das Erbrecht gehört zu den komplexeren Rechtsgebieten, da Menschen hier einen großen Gestaltungsspielraum haben. Konflikte in der Familie nach dem Tod eines geliebten Menschen können durch entsprechende Vorbereitung minimiert werden. Wir möchten mit diesem Artikel einige der wichtigsten Aspekte rund um das Erbe erläutern.

Es wird unter anderem erklärt was Nachlass und Erbe unterscheidet, was alles zum Nachlass gehört, wie die gesetzliche Erbfolge geregelt ist sowie welche Auskunftsansprüche Erben haben. Außerdem beantworten wir zentrale Fragen: Kann man Schulden erben? Wie kann man ein Erbe ausschlagen und wie hoch ist der Pflichtteil?

Du erfährst außerdem, ob man im äußersten Falle seinen Pflichtteil oder ein Erbe einklagen kann oder sich sein Erbe vorzeitig auszahlen lassen könnte und welche rechtlichen Grenzen es bei der testamentarischen Regelung des Nachlasses gibt.

Was unterscheidet Nachlass und Erbe?

Häufig werden Nachlass und Erbe im Alltag oder bei Gesprächen bedeutungsgleich verwendet. Allerdings stehen diese Begriffe eher in Verbindung zueinander und sollten daher nicht synonym verwendet werden. Denn es gibt durchaus einen Unterschied zwischen Nachlass und Erbe.

Als Nachlass wird der komplette Besitz einer verstorbenen Person (auch Erblasser genannt) bezeichnet, der an den/die Erben übergeht. Somit ist das Erbe eines Einzelnen nur ein Teil des Nachlasses, wenn es mehrere Erben gibt. Denn der Nachlass wird anhand einer letztwilligen Verfügung (z.B. einem Testament oder Erbvertrag) nach dem Tod des Erblassers aufgeteilt.

Wichtig: Es gilt eine Frist von sechs Wochen, um das Erbe anzunehmen oder auszuschlagen. Unter bestimmten Bedingungen kann sich diese Frist auf sechs Monate verlängern. Bei Untätigkeit wird das Erbe automatisch angenommen!

Was gehört zum Nachlass?

Bei der Überlegung, ob ein Erbe angenommen oder ausgeschlagen werden sollte, kommen viele Fragen auf, wie zum Beispiel: Was gehört eigentlich zu den vererbbaren Vermögenswerten? Der Fachanwalt weiß Bescheid: „Grundsätzlich gehört das gesamte Vermögen zum Nachlass. Neben Immobilien, Kontoguthaben, Bargeld, Gold und Aktiendepots gehören ebenfalls Schmuck, Fahrzeuge sowie der gesamte Hausrat zum Nachlass. Auch private Sammlungen, Kunstgegenstände oder Schriftstücke gehören genauso zum Nachlass wie andere Werte, die nicht in Geld angelegt sind – so zum Beispiel auch Kryptowährungen.“

Auch Firmenanteile sind Vermögensgegenstände und können vererbt werden. Je nach Gesellschaftsform fällt das Erbe jedoch unterschiedlich aus: „GmbH-Anteile sind zum Beispiel vererblich und gehören deshalb zum Nachlass. Gleiches gilt für Aktienanteile einer AG. Ein bisschen komplizierter sieht es bei einer KG aus: Scheidet ein persönlich haftender Gesellschafter aus und ist nichts Abweichendes im Gesellschaftsvertrag geregelt, haben die Erben einen Abfindungsanspruch. Beim Tod eines Kommanditisten treten die Erben in die Gesellschaft ein“, so Rechtsanwalt Dr. Andreas Künne. Das Vererben eines Betriebs oder Unternehmens(-anteils) ist in der Praxis meist aber um ein Vielfaches komplizierter. Daher wird dieser Fall für den Artikel bewusst ausgeklammert, da dies komplexe gesellschafts- und steuerrechtliche Themen mit sich bringt.

Doch nicht nur Vermögen und Wertgegenstände sind Teil des Nachlasses. Genauso gehören zum Nachlass eben auch die vom Erblasser herrührenden Schulden und die den Erben als solchen treffenden Schulden Diese sogenannten Nachlassverbindlichkeiten sind zum Beispiel Schulden des Verstorbenen, die Bestattungskosten, Kosten für die Testamentsvollstreckung, Zugewinnausgleichsansprüche des überlebenden Ehegatten etc.

Genauso wichtig ist aber zu wissen, was nicht zum Nachlass gehört. „Insbesondere Immobilien mit Nießbrauch oder lebenslangem Wohnrecht, Rentenansprüche oder Vorerbschaftsrechte des Verstorbenen gehören ausdrücklich nicht zum Nachlass.“, erläutert Anwalt Dr. Andreas Künne. Nachdem nun klar ist was zum Nachlass gehört und was nicht, stellt sich die Frage: Wer bekommt was? Diese regelt die gesetzliche Erbfolge, wenn keine abweichende letztwillige Verfügung vorliegt.

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Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt was?

Wenn der Verstorbene kein Testament hinterlassen hat, kommt die gesetzliche Erbfolge ins Spiel. Sie regelt nach deutschem Erbrecht automatisch den Nachlass eines Verstorbenen. Diese gesetzliche Erbfolge folgt ganz genauen Bestimmungen. Wer erbt was und wie viel? Wer etwas erbt, hängt maßgeblich vom Familienstand des Erblassers und dem Grad der Verwandtschaft ab.

Generell kann man sagen: Je näher man miteinander verwandt ist, desto stärker wird man anhand der Erbfolge beim Nachlass berücksichtigt. So werden Verwandte je nach Abstammung in Ordnungen aufgeteilt.

  • Ordnung: Nächste Verwandte wie Kinder und Enkel
  • Ordnung: Weiter entfernte Verwandte wie Eltern, Geschwister, 3. Ordnung: Noch weiter entfernte Verwandte wie Großeltern,

Daneben erbt der Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner.

Rechtsanwalt Dr. Andreas Künne erklärt anhand eines Beispiels, wie die gesetzliche Erbfolge aussieht: „Ist der Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet und hat zwei Kinder, erbt der Ehepartner die Hälfte, die beiden Kinder jeweils ein Viertel des Vermögens. Ist eines oder sind beide der Kinder bereits vorher verstorben, erben automatisch die Enkelkinder die Anteile.“

Wer etwas erbt, sollte sich außerdem mit der Erbschaftssteuer beschäftigen.

Bei Unverheirateten sieht es so aus, dass die Kinder zu gleichen Teilen das gesamte Vermögen erben. Als unverheirateter Lebensgefährte hast du keine gesetzlichen Ansprüche im Todesfall deines Partners etwas von dem Nachlass zu erben. Eventuelle Ansprüche eines Lebensgefährten sind nur durch ein Testament oder einen Erbvertrag vor dem Tod regelbar. Auch Pflichtteilsansprüche gibt es für unverheiratete Lebensgefährten nicht.

Was viele nicht wissen: „Stirbt ein kinderloser Ehepartner, dessen Eltern noch leben, erbt der überlebende Ehegatte drei Viertel, das übrige Viertel des Vermögens die Eltern. In der Praxis gehen einige Menschen davon aus, dass der Ehepartner im Todesfall automatisch das gesamte Vermögen erbt. Dem ist aber nicht so, wenn die gesetzliche Erbfolge greift.“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Andreas Künne. Sind die Eltern des kinderlosen Ehepaares auch verstorben, erben übrigens die Geschwister an deren Stelle.

Gut zu wissen bei Ehepaaren: Erbt ein Ehepartner, fließt die Vermögenssubstanz nicht mit in die gesetzliche Zugewinngemeinschaft! Im Falle einer Trennung bzw. Scheidung partizipiert der andere Ehepartner nur an einer eventuellen Wertsteigerung, die bei Immobilien je nach Lage erheblich sein.

Wie bekomme ich Auskunft über mein Erbe?

Wenn man weniger Kontakt zu alten oder kranken Verwandten hatte, könnte sich die Fragen stellen wie man Auskunft über das Erbe bekommt. Denn falls ein Verwandter verstirbt zu dem kein Kontakt mehr besteht, bekommt man dies möglicherweise nicht mit. Daher stellen sich in solchen Konstellationen Fragen wie: Bekommt man automatisch Bescheid, wenn man erbt? Wann bekommt man Post vom Nachlassgericht?

Hier lassen sich zwei Fälle unterscheiden:

  • Bescheid über Erbe vom Nachlassgericht
  • Ein Miterbe verlangt Auskunft

Bescheid über Erbe vom Nachlassgericht

Je nachdem ob ein Testament vorliegt, erfährt das Nachlassgericht davon auf zwei Arten direkt: Entweder über ein zentrales Register, in dem alle von Notaren erstellten Verfügungen gelistet sind oder wenn der handschriftliche letzte Wille beim Nachlassgericht hinterlegt wurde. Eine weitere Möglichkeit ist, dass ein zu Hause aufbewahrtes Dokument bei einer Wohnungsauflösung entdeckt und bei Gericht abgegeben wurde.

Daraufhin erhalten die so ermittelten Erben, die in der letztwilligen Verfügung genannt sind, per Brief vom Nachlassgericht Informationen. Das können neben möglichen Erben auch Menschen oder Vereine sein, denen der Erblasser etwas vermachen wollte. In der Regel ist dabei lediglich der Abschnitt lesbar, der für den jeweiligen Empfänger bestimmt ist - der restliche Inhalt wird geschwärzt.

Meist ist neben dem Protokoll der Testamentseröffnung auch eine Fotokopie des Testaments beigelegt. Aus dem Schreiben muss nicht unbedingt hervorgehen, woraus der Nachlass besteht und welcher Anteil dem Empfänger zusteht. Auch die vagere Formulierung „Sie kommen als Erbe in Betracht“ ist gängig. Details zum Inhalt müssen mögliche Erben dann selbst in Erfahrung bringen. Nur ein Alleinerbe hat umfangreichere Informationen.

Wann bekommt man Post vom Nachlassgericht? Wie lange nach dem Ableben eines Erblassers das dauert, hängt auch davon ab, ob der letzte Wille offiziell hinterlegt wurde oder erst in der Wohnung gefunden wird. Bei einem amtlich aufbewahrten Testament dauert es etwa vier Wochen bis die Post vom Nachlassgericht ankommt. Es kann aber auch ein halbes Jahr vergehen.

Wenn man erfahren hat, dass man erbt, sollte man prüfen wie der Nachlass ausgestaltet ist. Denn es kann durchaus sein, dass ein Erbe einen negativen Saldo hat - man also bei Annahme des Erbes aufgrund von Schulden des Erblassers am Ende als Erbe draufzahlen müsste. Denn wer erbt, erhält nicht immer wie in Hollywood faszinierende Reichtümer wie Gold, Bargeld, Immobilien oder Schmuck. Auch Schulden können weitervererbt werden!

Miterbe verlangt Auskunft

Als Allein- oder Miterbe kann ich mittels des Protokolls der Testamentseröffnung und der Fotokopie des Testaments bzw. Erbvertrages mir in der Regel selber die Informationen bei Banken etc. verschaffen. Wenn es kein Testament oder dergleichen gibt, brauche ich einen Erbschein, mittels dessen ich dann an die Informationen komme.

Spezielle Auskunftspflichten unter Miterben kraft Gesetzes existieren nicht sondern nur in besonderen Konstellationen.

Kann man Schulden erben?

„Ja. Denn im deutschen Erbrecht gilt der Grundsatz der „Universalsukzession“. Das heißt, der Nachlass kann nur als Ganzes auf den Erben übergehen“, so Rechtsanwalt Dr. Andreas Künne Sind also Schulden Bestandteil der Erbschaft, werden diese mit vererbt.

Doch was ist, wenn du den Nachlass nicht übernehmen möchtest, insbesondere die Schulden? „Es gibt die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen“, sagt der Rechtsanwalt. „Allerdings ist eine solche Erbausschlagung auch nur auf den gesamten Nachlass möglich – nicht beschränkt auf die Schulden.“ Man muss als Erbe also nicht die Schulden der Eltern oder anderer Verwandter übernehmen, sondern kann eine Erbschaft ausschlagen. Übrigens: Bei Untätigkeit wird das Erbe automatisch angenommen.

Wie kann man ein Erbe ausschlagen?

Um eine Erbschaft ausschlagen zu können, muss eine Frist von sechs Wochen eingehalten werden. Unter bestimmten Bedingungen kann sich die Frist aber auf sechs Monate verlängern, wenn zum Beispiel der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte oder sich der mögliche Erbe bei Beginn der Frist im Ausland aufhält.

Aber wann beginnt die Frist zu laufen, in der man ein Erbe ausschlagen kann? „Die Frist beginnt ab dem Tag, an dem der Erbe vom Tod des Erblassers sowie dem Grund der Berufung erfährt.“, weiß Anwalt Dr. Andreas Künne. „Berufung“ meint an dieser Stelle die Kenntnis des Erben darüber, ob er durch gesetzliche Erbfolge oder letztwillige Verfügung erbt. Allerdings gibt es auch hier ein paar Einschränkungen:

  • bei gesetzlicher Erbfolge: Die Frist beginnt, wenn der Erbe Kenntnis vom Verwandtschaftsverhältnis und dem Nichtvorhandensein einer letztwilligen Verfügung (zum Beispiel Testament oder Erbvertrag) erlangt.
  • bei letztwilliger Verfügung: Die Frist beginnt, wenn die letztwillige Verfügung vom Nachlassgericht bekannt gegeben wurde, also eine sogenannte Testamentseröffnung stattgefunden hat.

Wichtig

Um das Erbe auszuschlagen, muss die Erklärung innerhalb der Frist abgegeben werden. Das heißt konkret: Entweder die Ausschlagung direkt beim Nachlassgericht zur Niederschrift erklären, indem man persönlich zum Nachlassgericht geht und die Erbausschlagung dort aufnehmen lässt oder über einen Notar die Ausschlagung abgeben. Es empfiehlt sich den Grund anzugeben warum du das Erbe ausschlagen möchtest (z.B. wenn es überwiegend aus Schulden besteht).

Doch fallen für das Erbe ausschlagen Kosten an? „Die Gebühr für die Erbausschlagung beim Nachlassgericht liegt bei mindestens 30 Euro. Für den Fall, dass du ein Erbe ablehnen möchtest, das sich finanziell lohnt, fallen entsprechende Gebühren nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz an.“, erklärt der Rechtsexperte Hier gilt: Je höher der Wert der Erbschaft, desto höher sind auch die Kosten, um das Erbe ausschlagen zu können.

Was kann man durch eine letztwillige Verfügung regeln?

Ein Todesfall in der Familie ist allein schon schlimm genug. Eine letztwillige Verfügung, wie ein Erbvertrag oder Testament, könnte in einem solchen Fall Konflikten vorbeugen – wenn sie denn richtig verfasst wurde.

„In einem Testament kann man Regelungen über das gesamte eigene Vermögen treffen“, weiß Rechtsanwalt Dr. Andreas Künne. „So kann man beispielsweise Erben benennen, einzelne Gegenstände als Vermächtnisse übertragen, Teilungsanordnungen treffen oder eine Vor- und Nacherbfolge anordnen. Ebenso kann man dem Erben seinen Pflichtteil entziehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dazu gegeben sind.“ Seine letzten Wünsche sollte man immer schriftlich festhalten, um eine Erbauseinandersetzung zu verhindern.

Doch Vorsicht! Auch hier gibt es rechtliche Einschränkungen: „Niemand darf zum Beispiel durch ein Testament oder einen Vertrag dazu verpflichtet werden, selbst ein Testament zu errichten bzw. nicht zu errichten. Ebenso ist eine letztwillige Verfügung nichtig, die zugunsten eines Heimträgers oder Heimmitarbeiters ausfällt, wenn dieser zu Lebzeiten des Erblassers von dem Testament wusste“, so der Rechtsexperte.

Auf der sicheren Seite ist man, wenn man sich zumindest von einem Anwalt oder Notar beraten lässt. Auch Rechtsschutzversicherer bieten eine erste telefonische Rechtsberatung hierzu an. Juristen können beurteilen, in welchen Fällen ein Testament sinnvoll ist. Die Kosten für ein Erstgespräch mit dem Anwalt liegen in der Regel bei etwa 250 Euro. Diese Investition kann sich gerade bei einer drohenden Erbauseinandersetzung mehr als rentieren und helfen den Familienfrieden zu bewahren.

Übrigens: Ein handgeschriebenes Testament kann man auch zu Hause aufbewahren. Es sollte sicher und in einem verschlossenen Umschlag aufbewahrt werden. Denn es kann passieren, dass ein solches Dokument beim Aufräumen aus Versehen oder sogar absichtlich entsorgt wird, um einen Vorteil gegenüber den anderen Erben zu haben. In einem solchen Fall gäbe es keine klaren Nachlassregelungen und ein Streit unter den Erben wäre möglich.

Kann man sich ein Erbe vorzeitig auszahlen lassen?

Um Streit zu vermeiden oder im Streitfall zu Lebzeiten schon einen Schlussstrich zu ziehen, könnte man auf die Idee kommen sich sein Erbe auszahlen zu lassen. Denn mancher potenzielle Erbe würde gerne das Vermögen vor einem möglicherweise extravaganten Seniorenlebensstil schützen. Doch haben Kinder eigentlich schon zu Lebzeiten der Eltern erbrechtliche Ansprüche?

„Nein, es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür, um sich sein Erbe vorzeitig auszahlen lassen. Selbst wenn die Eltern als potenzielle Erblasser ihr Geld zum Beispiel für teure Urlaube oder einen extravaganten Lebensstil ausgeben, haben die möglichen Erben keinerlei Ansprüche.“

Allerdings gibt es rechtliche Möglichkeiten, sich sein Erbe vorzeitig auszahlen zu lassen. So können zum Beispiel Eltern ihren Kindern zu Lebzeiten durch eine Schenkung Vermögen übertragen. Im Gegenzug können die Kinder dann auf ihren Pflichtteil beim Tod der Eltern verzichten. Dieser Pflichtteilsverzicht muss allerdings notariell beurkundet werden. Im Falle einer Erbengemeinschaft wird es ungleich komplexer, denn hier muss mit mehreren beteiligten eine Einigung erzielt werden.

Ist das sprichwörtliche Kind aber schon in den Brunnen gefallen und streitet sich die Familie um den Nachlass nach einem Todesfall, solltest du in jedem Fall qualifizierte Beratung hinzuziehen. Denn die Vorgehensweise ist aufgrund der Komplexität des Erbrechts immer vom Einzelfall abhängig. Auch eine Mediation kann in solchen Fällen helfen, die Wogen zu glätten und zu einer Lösung des Konflikts zu kommen. Rechtsschutzversicherer sind in solchen Fällen eine gute Anlaufstelle für Informationen.

Kann man ein Erbe einklagen?

Im Falle des Ablebens, treten Erben die Rechtsnachfolge des Verstorbenen an – somit geht auch das Vermögen auf die Erben über. Die Erben müssen eine sogenannte Erbauseinandersetzung betreiben, was oft zu einer Auseinandersetzung im wahrsten Sinne des Wortes wird.

Insbesondere ist es nicht möglich, sich einfach seinen Anteil an einer Immobilie oder Konto gewissermaßen wertmäßig durch Klage isoliert auszahlen zu lassen. Vielmehr muss ein sogenannter Teilungsplan vorlegt werden, wie das Erbe im Detail auf mehrere Erben aufgeteilt werden soll, was prozessual ein sehr schwieriges Unterfangen ist – ein Grund mehr, schon zu Lebzeiten eine sinnvolle Regelung zu treffen.

Wichtig: Häufig werden die Begriffe Erbteil und Pflichtteil synonym verwendet oder sogar verwechselt. Als Erbteil bezeichnet man den Teil eines Nachlasses, der einem Erben vom Verstorbenen oder per gesetzlicher Erbfolge zugeteilt wird. Beim Pflichtteil handelt es sich hingegen um eine Mindestbeteiligung am Nachlass! Ein naher Angehöriger, der vom Erbe ausgeschlossen wurde, z.B. ein Kind, hat Anspruch auf den Pflichtteil. Auf diese Weise soll eine Mindestteilhabe am Nachlass gewährleistet werden.

Wie hoch ist der Pflichtteil beim Erbe?

Sind zum Beispiel Kinder oder Eltern durch ein Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden, können sie sogenannte Pflichtteilsansprüche geltend machen. Der ROLAND-Partneranwalt dazu: „Die Pflichtteilsquote liegt bei der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Anspruch umfasst dabei zunächst den Auskunftsanspruch und den Wertermittlungsanspruch gegen den bzw. die Erben. Erst dann kann die Berechnung und darauf die Zahlung erfolgen.“

Pflichtteil einklagen: So geht‘s

Auch um den Pflichtteil vom Erbe einzuklagen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein - Damit man den Pflichtteil einklagen kann, muss:

  • Die klagende Person muss enterbt sein und
  • Zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen zählen.

Zur Erinnerung: Pflichtteilsberechtigte sind alle Nachkömmlinge des Verstorbenen wie Kinder, Enkel und Urenkel. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob diese ehelich/unehelich oder adoptiert sind. Des Weiteren sind Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner des Erblassers pflichtteilsberechtigt sowie gegebenenfalls die Eltern des Erblassers.

Einen Pflichtteil einklagen können demnach nur nahe Verwandte des Erblassers. Vorrang haben aber beispielsweise Kinder des Verstorbenen. So können die Eltern eines Erblassers nur ihren Pflichtteil einklagen, wenn dieser keine Kinder hat. Ehepartner sowie eingetragene Lebenspartner haben eine erbrechtliche Sonderstellung und sind immer pflichtteilsberechtigt.

Um einen Pflichtteil einklagen zu können, darf dieser noch nicht verjährt sein. Der Pflichtteil kann im Gegensetz zum Erbteil innerhalb von drei Jahren nach Kenntnis über den Erbfall und der Enterbung eingeklagt werden. Die Frist läuft dabei immer ab Ende des jeweiligen Jahres. Ein Beispiel: Ein Erblasser verstirbt etwa im November 2019. Die pflichtteilberechtigte Tochter erfährt nachweislich erst im März 2020 von ihrer Enterbung. Die Verjährung des Pflichtteils beginnt somit erst am 31. Dezember 2020 und endet am 31. Dezember 2023.

Allerdings kann auch bei Streit über den Pflichtteil eine Mediation helfen zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. So lassen sich bei einer Erbauseinandersetzung Prozesskosten und Nerven sparen. Eine Rechtsschutzversicherung bietet oft auch die Vermittlung einer Mediation an.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 31. Juli 2018 veröffentlicht und am 15. Juni 2022 aktualisiert (Haftungsausschluss).

Unser Partneranwalt

Dr. Andreas Künne ist seit 2005 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 2009 Partner der Kanzlei Winter Rechtsanwälte. Dort ist er als Fachanwalt für Familienrecht und Erbrecht zuständig. Dr. Andreas Künne betreut seine Mandanten beispielweise bei Rechtsfragen rund um Unterhaltsstreitigkeiten oder Unklarheiten bezüglich des Nachlasses und berät bei der Gestaltung von Testamenten. Neben dem Standort Bergisch Gladbach ist die Kanzlei Winter Rechtsanwälte noch in Overath und Köln vertreten.

Dr. Andreas Künne

Dr. Andreas Künne

Kanzlei Winter Rechtsanwälte

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Privatrechtsschutz“