Alleine in Deutschland sind knapp sieben Millionen volljährige Personen überschuldet. Die Ursachen können sehr unterschiedlich sein: von Jobverlust über familiäre Probleme bis hin zu übermäßiger Einkaufslust. Wer dann über einen längeren Zeitraum seine Schulden an die Gläubiger nicht mehr zurückzahlen kann, hat häufig keine andere Möglichkeit, als den Weg in die Insolvenz.
Inhalte zu Privatinsolvenz
- Wann sollte man Verbraucherinsolvenz anmelden?
- Erster Schritt: Außergerichtlicher Einigungsversuch
- Zweiter Schritt: Gerichtliches Planverfahren
- Dritter Schritt: Insolvenzverfahren
- Vierter Schritt: Wohlverhaltensphase
- Wie lange dauert die Wohlverhaltensphase?
- Was ist in der Privatinsolvenz pfändbar?
- Wann ist man wieder kreditwürdig?
Damit du einen Weg aus der Schuldenfalle findest und weißt, was du beim Insolvenzantrag und der Privatinsolvenz beachten musst, habe ich mit Rechtsanwalt Christian Teppe gesprochen.
Wann sollte man Verbraucherinsolvenz anmelden?
Wer mit dem Gedanken spielt, einen Insolvenzantrag zu stellen, sieht meistens finanziell keinen Ausweg mehr. Mithilfe der Insolvenz haben überschuldete Personen aber die Möglichkeit, sich von ihren Verbindlichkeiten zu befreien, ohne die Gläubiger zu vernachlässigen.
Eigentlich heißt die Privatinsolvenz richtig Verbraucherinsolvenz. Im Volksmund wird sie aber häufig Privatinsolvenz genannt. „Es handelt sich hierbei um ein vereinfachtes Insolvenzverfahren zur Abwicklung der Zahlungsunfähigkeit von Privatpersonen. Die zwei wichtigsten Ziele sind dabei die Befreiung von allen Schulden und ein sofortiger Pfändungsschutz“, so Christian Teppe. Voraussetzung für die Insolvenz ist daher, dass der Schuldner seinen bestehenden Zahlungsverpflichtungen zum Großteil nicht mehr nachkommen kann. Ist dies erfüllt, folgen vier Schritte im letztendlichen Verfahren:
1. Außergerichtlicher Einigungsversuch
2. Gerichtliches Planverfahren
3. Insolvenzverfahren
4. Wohlverhaltensphase
Erster Schritt: Außergerichtlicher Einigungsversuch
Bevor es überhaupt zum Insolvenzverfahren kommt, musst du zunächst versuchen, dich außergerichtlich mit deinen Gläubigern zu einigen. Dazu musst du sämtliche Unterlagen, die die Verschuldung nachweisen, auf den Tisch legen. Dazu zählen Kreditverträge, Rechnungen und Mahnbescheide. „Hieran muss eine Insolvenzberatungsstelle oder eine geeignete Person wie beispielsweise ein Rechtsanwalt mitwirken. Diese entwickelt dann einen Regulierungsplan, der die Schulden aufzeigt und erklärt, bis wann die Schulden zurückgezahlt werden sollen“, so Christian Teppe. In diesem Schritt wird also festgestellt, wie hoch deine Schulden wirklich sind und ob aus fremden Quellen Geld eingezogen werden kann. Der Anwalt erklärt mir weiter: „Die Gläubiger erhalten dann unterschiedliche Kompromissmodelle, wie die Zahlung eines monatlichen Betrags an den Treuhänder, der das Geld dann an die Gläubiger verteilt. Jeder Gläubiger muss dann individuell entscheiden, ob er dem Vorschlag zustimmt oder nicht.“
Zweiter Schritt: Gerichtliches Planverfahren
Sollte der außergerichtliche Einigungsversuch scheitern, muss der Schuldner das sogenannte Verbraucherinsolvenzverfahren beantragen. „Allerdings muss eine geeignete Stelle oder Person – wie ein Rechtsanwalt – bescheinigen, dass der außergerichtliche Einigungsversuch gescheitert ist. Erst dann prüft das Gericht, ob ein Insolvenzantrag Erfolg hat.
Außerdem musst du zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens folgende Unterlagen vorlegen:
- Nachweis über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs
- Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung
- Vermögensübersicht
- Schuldenbereinigungsplan
- Verzeichnis der Forderungen
„Liegt der Antrag mit allen Unterlagen vor, prüft das zuständige Insolvenzgericht, ob ein gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan Aussicht auf Erfolg hat. Wenn dies der Fall ist, erhalten die Gläubiger den Schuldenbereinigungsplan. Sie müssen dann entscheiden, ob sie dem Plan zustimmen oder ihn ablehnen. Kommt eine Einigung zustande, wird das Insolvenzverfahren nicht durchgeführt. Denn dann ist der gerichtliche Plan maßgeblich für die Schuldentilgung“, sagt Rechtsanwalt Christian Teppe.
Dritter Schritt: Insolvenzverfahren
Stimmen allerdings mehr als 50 Prozent der Gläubiger gegen den gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, kommt es zum Insolvenzverfahren. Christian Teppe hierzu: „Das Gericht bestimmt einen Insolvenzverwalter, der die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis erhält. Seine Aufgabe ist es, das Vermögen zu verteilen und die Gläubiger zufriedenzustellen.“ Solltest du noch pfändbares Vermögen haben, wird dies verpfändet und der Erlös an die Gläubiger verteilt. Am Ende des Insolvenzverfahrens beginnt dann die eigentliche Privatinsolvenz: die Wohlverhaltensphase.
Vierter Schritt: Wohlverhaltensphase
Im letzten Schritt erfolgt das Kernstück der Privatinsolvenz: die Restschuldbefreiung. „In der Wohlverhaltensphase muss der Schuldner das pfändbare laufende Einkommen an einen Treuhänder abtreten. Dieser verteilt die Beiträge dann an die Gläubiger.“ Der Schuldner hat also nicht mehr selber die Möglichkeit, über seine Einkünfte zu verfügen. Außerdem muss er jede zumutbare Arbeit annehmen und muss alle Einkünfte offenlegen. Sollten die Erträge nicht ausreichen, werden nach Ablauf des Verfahrens die Schulden erlassen – das nennt man dann Restschuldbefreiung. Damit sind die Schulden dann endgültig Geschichte.
Wie lange dauert die Wohlverhaltensphase?
In der Regel dauert die Wohlverhaltensphase sechs Jahre. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, zu verkürzen: „Das Verfahren kann unter bestimmten Voraussetzungen auf fünf bzw. drei Jahre verkürzt werden. Wenn der Schuldner mindestens 35 Prozent der Schulden und die gesamten Verfahrenskosten bezahlt hat, kann er die Privatinsolvenz bereits nach drei Jahren beenden. Kann der Schuldner die gesamten Verfahrenskosten begleichen, verkürzt sich die Frist auf fünf Jahre.“ Allerdings tritt diese Verkürzung nicht automatisch ein. Der Schuldner muss selber einen Antrag stellen, um eine vorzeitige Restschuldbefreiung erteilt zu bekommen.
Was ist in der Privatinsolvenz pfändbar?
Viele Leute befürchten, dass nach und während der Privatinsolvenz nichts mehr zum Leben übrig bleibt. Aber stimmt das? „Grundsätzlich ist alles pfändbar. Also zum Beispiel Wohneigentum oder vorhandenes Vermögen. Allerdings darf Ihnen nicht das zum Leben notwendige genommen werden. Das Existenzminimum darf Ihnen also niemand nehmen“, erklärt Christian Teppe. Ein Auto darf man zum Beispiel dann behalten, wenn es ein Familienmitglied braucht, um zur Arbeit zu kommen oder aufgrund einer schweren Krankheit darauf angewiesen ist. Allerdings kann der Insolvenzverwalter ein wertvolles Auto gegen ein weniger wertvolles Modell tauschen.
Wann ist man wieder kreditwürdig?
Ist das Verfahren erfolgreich abgeschlossen, ist man wie gesagt seine Schulden los. Allerdings sind die Schulden immer noch in der SchuFa vermerkt: „Für weitere drei Jahre steht in der Schufa, dass der Schuldner eine Verbraucherinsolvenz durchgeführt hat. Danach ist auch dieser Eintrag gelöscht und Sie können in die Zukunft starten“, sagt Rechtsanwalt Christian Teppe. Es kann also innerhalb dieser drei Jahre schwierig für dich sein, einen Kredit von einem seriösen Anbieter zu bekommen. Auch Anträge für eine Kreditkarte oder ein Girokonto mit größerem Dispokredit können Banken ablehnen.
Ich hoffe, dass ich euch mit dem Artikel geholfen habe, wenn ihr in die missliche Lage einer Privatinsolvenz gekommen seid. Denn auch, wenn man es niemandem wünscht, dass er in so eine Lage kommt, ist dann das Wichtigste, gut informiert zu sein, um die Chance auf einen Neustart zu haben.
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 23. Februar 2018 veröffentlicht (Haftungsausschluss).
Unser Partneranwalt
Christian Teppe ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Agrarrecht. Er hat sich zudem auf die Bereiche Zivilrecht, Grundstücksrecht, Erbrecht sowie Bußgeld-/Ordnungswidrigkeitenrecht spezialisiert. Seine Kanzlei Teppe Rechtsanwälte ist an den Standorten Hamburg, Uelzen und Winsen (Luhe) vertreten.
Christian Teppe
Kanzlei Teppe Rechtsanwälte