Ein Hauswand mehrerer Wohnungen mit Balkone.

Wohnungsgenossenschaft

Haus & Mieten

Eine Organisation, die günstigen Wohnraum für Menschen bereitstellt und ihren Mietenden zusätzlich umfassende Mitbestimmungsrechte einräumt? Was wie eine unrealistische Utopie klingt, nennt sich Wohnungsgenossenschaft. Was das genau ist, wie sie funktioniert und welche Vorteile eine Genossenschaftswohnung bietet, erfährst du hier. Außerdem erfährst du, was beim Kauf von Genossenschaftsanteilen zu beachten ist.

Was ist eine Wohnungsgenossenschaft?

Eine Wohnungsgenossenschaft ist eine Organisation, die ihren Mitgliedern vor allem Wohnraum baut und vermietet. Auch andere Immobilien wie Garagen oder gewerbliche Räume werden teils von Wohnungsgenossenschaften bewirtschaftet. Sie werden auch Wohnungsbaugenossenschaft oder schlicht Wohngenossenschaft genannt. Die Genossenschaften vermieten nicht nur, sondern bauen auch meist seit ihrer Gründung neue Mehrfamilienhäuser. Außerdem modernisieren und renovieren sie zunehmend ihre Gebäude im Rahmen der energetischen Sanierungspflicht.

Ziel der Wohngenossenschaften ist es, bezahlbaren Wohnraum zu bauen und zu erhalten. Individuelle Ziele und Leitplanken jeder Genossenschaft sind in ihrer Satzung geregelt. Der Fokus auf faire Mieten spielt dabei immer eine besondere Rolle, da sie ihren Mitgliedern gegenüber dazu meist durch ihre Satzung verpflichtet sind. Alles in allem bieten Genossenschaften also eine hohe Sicherheit für Mietende, da sie nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind.

Neben den Wohngenossenschaften gibt es auch weitere genossenschaftliche Unternehmen wie:

  • Konsumgenossenschaften (z.B. Kauf von Energie)
  • Genossenschaftsbanken (z.B. Finanzprodukte und Kredite für Mitglieder)
  • Einkaufsgenossenschaften (z.B. gemeinsamer Einkauf von Waren)
  • Agrargenossenschaften (z.B. Kooperation bei der Bewirtschaftung von Feldern)
  • Produktionsgenossenschaften (z.B. Herstellung gemeinsamer Bauteile)
  • Kulturgenossenschaft (z.B. Betrieb eines Theaters oder Kinos)

Rund fünf Millionen Menschen bewohnen ca. 2,2 Millionen Wohnungen der rund 2.000 Wohnungsgenossenschaften in Deutschland. Klassische Genossenschaftsstädte sind Leipzig, Dresden, Hamburg oder Berlin.

Übrigens: Das genossenschaftliche Prinzip gehört mittlerweile sogar zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Das hat im November 2016 der zuständige UNESCO-Ausschuss beschlossen.

So funktioniert eine Wohnungsgenossenschaft

Zu den wichtigen Grundprinzipien einer Wohnungsgenossenschaft gehören Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Eine Genossenschaft setzt sich immer nur aus ihren Mitgliedern zusammen. Das Besondere ist, dass diese Unternehmen in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (kurz eG) organisiert sind. „Eingetragene Genossenschaften müssen hohe Standards erfüllen. So werden ihre Bilanzen jährlich von einem unabhängigen Prüfungsverband unter die Lupe genommen. Zusätzlich gibt es bei den Genossenschaften auch immer einen Lagebericht sowie einen Bericht zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Geschäftsführung”, erläutert Rechtsanwalt Felix Beer. Alles Wichtige zu dieser einzigartigen, demokratischen Rechtsform ist im Genossenschaftsgesetz (kurz GenG) geregelt.

Alle Mitglieder der Wohngenossenschaft haben das gleiche Stimmrecht und können an wichtigen Entscheidungen in der jährlichen Versammlung mitwirken. Die Höhe der Kapitalbeteiligung und die Anzahl der Anteile eines Mitglieds spiele dafür keine Rolle. Auch eine Tätigkeit für den Vorstand oder Aufsichtsrat ist als Mitglied möglich. Dazu muss man sich von der Versammlung wählen lassen.

Umfassende Änderungen der Satzung sind in der Regel nur mit einer Dreiviertelmehrheit möglich. Das verleiht einer Wohnungsgenossenschaft große Stabilität. Die Mitglieder einer Genossenschaft wählen alle fünf Jahre ihre Vertreter in der jährlichen Versammlung. Diese wählen wiederum die Mitglieder des Aufsichtsrates und nehmen den Lagebericht des Vorstandes sowie den Bericht des Aufsichtsrats entgegen. Der Aufsichtsrat bestellt den Vorstand und begleitet ihn in seiner Arbeit. Der Vorstand leitet die Genossenschaft und übernimmt auch die Geschäftsführung.

Der Zweck einer Wohnungsgenossenschaft ist vor allem die Förderung der Mitglieder. Für sie muss immer guter, sicherer und sozial verträglicher Wohnraum gewährleistet bleiben. Hierfür wird der Wohnungsbestand anhand der Bedürfnisse und Wünsche der Mitglieder angepasst, verwaltet und wenn nötig auch saniert.

Aber wie kann man Mitglied werden und von dieser Gemeinschaft profitieren?

Genossenschaftsanteile kaufen ist Voraussetzung

Die meisten Wohnungsgenossenschaften haben lange Wartelisten und achten sehr auf die Zusammensetzung ihrer Mitglieder aus Jung und Alt. Häufig werden auch Familienmitglieder von bestehenden Mitgliedern bevorzugt aufgenommen. So kann eine Wohnungsgenossenschaft sicherstellen, dass die Werte der Genossenschaft über die Generationen weitergegeben werden. Aber wie wirst du Mitglied, wenn du eine begehrte Genossenschaftswohnung angeboten bekommst?

Du kannst nur durch den Kauf von Genossenschaftsanteilen Mitglied werden. „Diese Anteile müssen vor dem Eintritt in die Wohnungsgenossenschaft gekauft werden. Sie berechtigen gemeinsam mit dem Dauernutzungsvertrag zur Anmietung einer Wohnung. Die Anzahl der Genossenschaftsanteile, die man beim Eintritt kaufen muss, sind in der Satzung festgeschrieben. Allerdings werden Genossenschaftsmitglieder dadurch keine Miteigentümer der Wohnungen oder Immobilien”, berichtet Anwalt Felix Beer.

Durch die Genossenschaftsanteile erhältst du auch die umfangreichen Mitbestimmungsrechte. Alle Mitglieder und deren Anteilen werden im zentralen Genossenschaftsregister eingetragen. Dadurch bietet eine eingetragene Genossenschaft auch eine sehr hohe Transparenz. Die Genossenschaftsanteile behältst du so lange, wie du in einer Genossenschaftswohnung wohnst.

Kann man Genossenschaftsanteile verkaufen?

Genossenschaftsanteile kann man nicht verkaufen, sondern nur an andere Mitglieder übertragen. Diese bezahlen dir aber dafür auch den Nennwert des Anteils als Preis. Das ist ein entscheidender Unterschied zwischen Genossenschaftsanteilen und anderen Unternehmensbeteiligungen wie Aktien.

Genossenschaftsanteile kündigen: So geht‘s

Sobald du aus einer Genossenschaftswohnung ausziehen möchtest, musst du deine Genossenschaftsanteile kündigen. Allerdings gelten dafür wie für jede Art der Kündigung bestimmte Fristen.

Wie man seine Genossenschaftsanteile kündigen kann, ist in § 65 GenG genau geregelt:

  • Genossenschaftsanteile kannst du nur zum Schluss eines Geschäftsjahres kündigen. Die Kündigung der Genossenschaftsanteile muss mindestens drei Monate Ablauf des Geschäftsjahres schriftlich erklärt werden.
  • In der Satzung kann eine längere Kündigungsfrist bestimmt werden (maximal fünf Jahre).

Ausnahme: Bei Genossenschaften, in denen mehr als drei Viertel der Mitglieder rechtlich gesehen Unternehmer oder Firmen sind (z.B. Einkaufsgenossenschaften), kann die Satzung eine Kündigungsfrist von bis zu zehn Jahre bestimmen. Grund dafür ist die Sicherung der finanziellen Mittel.

Dementsprechend kann es bis zur Auszahlung der Genossenschaftsanteile teils ein oder zwei Jahre dauern. Allerdings gibt es dafür gute Gründe, die mit der besonderen Rechtsform zusammenhängen. Die lange Auszahlungsfrist dient dem Schutz der Genossenschaft und deren Vermögen sowie den anderen Mitgliedern. Im Grunde haften alle gemeinsam mit ihren Anteilen für eventuelle Verluste der Genossenschaft.

„Eine Auszahlung der Genossenschaftsanteile kann erst nach der Finalisierung und Feststellung des Jahresabschlusses für das Jahr erfolgen, in dem die Kündigung wirksam wird”, präzisiert Rechtsanwalt Felix Beer. „Eine frühere Auszahlung der Genossenschaftsanteile ist kompliziert. Außerdem führt diese auch zur persönlichen Haftung des Vorstands gegenüber den Mitgliedern der Genossenschaft”.

Beispiel: Kündigung der Genossenschaftsanteile zu Ende 2027

Stell dir vor, du kündigst deine Genossenschaftsanteile im Wert von 1.200 Euro im September 2025. Die Kündigungsfrist beträgt zwei Jahre zum Ende des Jahres. Die Kündigung wird also erst zum Ende des Geschäftsjahres 2027 wirksam.

Die Auszahlung der Genossenschaftsanteile wird noch so lange dauern, bis der Jahresabschluss für 2027 festgestellt wurde und die jährliche Versammlung stattgefunden hat. Diese findet erst im Mai 2028 statt, da der Jahresabschluss vorher erstellt und extern geprüft werden muss.

Wenn die Genossenschaft keine Verluste gemacht hat, kann der Genossenschaftsanteil komplett ausgezahlt werden. Sollte die Genossenschaft allerdings Verluste gemacht haben, wirst du womöglich nicht die eingezahlte Summe zurückerhalten. Deine Beteiligung hängt von der Höhe des Verlusts der Genossenschaft und dessen Verteilung auf die Anzahl der Mitglieder ab. So ergäbe sich bei einem Verlust von 60.000 Euro bei 200 Mitgliedern ein Anteil von 300 Euro am Verlust für jedes Mitglied. Deine Auszahlung würden in diesem Fall nur 900 Euro betragen.

Genossenschaftsanteile vererben: ist das möglich?

Vermögenswerte wie Immobilien, Aktien oder Bargeld gehen als Teil des Nachlasses im Todesfall an die erbenden Personen über. Bestenfalls ist das genau in einem Testament geregelt. Aber kann man auch Genossenschaftsanteile vererben?

§ 77 GenG regelt den Tod eines Mitglieds einer Genossenschaft. Mit dem Tod eines Mitglieds geht auch die Mitgliedschaft auf den Erben über. Allerdings nur kurz, da sie mit dem Schluss des Geschäftsjahres endet, in dem das ehemalige Mitglied verstorben ist. Danach werden die Genossenschaftsanteile schnellstmöglich ausgezahlt.

Die Satzung der Genossenschaft kann aber auch ausdrücklich bestimmen, dass im Falle des Todes eines Mitglieds dessen Mitgliedschaft durch den oder die Erben fortgesetzt werden kann. Denkbar ist es zum Beispiel, den Erben die Nutzung der Wohnung der verstorbenen Person nach einer Modernisierung anzubieten. Hierfür wäre dann wiederum die Mitgliedschaft in der Wohnungsgenossenschaft notwendig.

„Im Todesfall ist immer ein Blick in die individuelle Satzung der Genossenschaft empfehlenswert. Dort können vom Genossenschaftsgesetz abweichende Regelungen für den Todesfall eines Mitglieds vereinbart worden sein”, berichtet Felix Beer aus der Praxis.

Genossenschaftswohnung: Vorteile & Nachteile im Überblick

Vorteile der GenossenschaftswohnungNachteile der Genossenschaftswohnung
Wohnrecht auf Lebenszeit:
Solange du Mitglied bist, hast du ein lebenslanges Wohnrecht in einer Genossenschaftswohnung. Die Genossenschaft darf dir nur bei gravierenden Verstößen gegen die Satzung kündigen (z.B. fehlende Mietzahlungen).
Lange Wartezeiten:
Die meisten Wohnungsgenossenschaften haben lange Wartelisten für ihre begehrten Wohnungen.
Bezahlbare Mieten:
Deutlich geringere Mieten als auf dem freien Markt, da dies ausdrücklich als Zweck in der Satzung der Wohnungsgenossenschaft steht.
Einstiegskosten:
Der Kauf von Genossenschaftsanteilen kann eine höhere Anfangsinvestition sein. Allerdings ist diese meist mit einer Kaution vergleichbar.
Mieterschutz:
Hohe Sicherheit vor Kündigung des Vermieters, da Genossenschaften langfristige Mietverhältnisse fördern. Eine Eigenbedarfskündigung ist faktisch ausgeschlossen.
Haftung:
Mitglieder haften mit ihren Anteilen für eventuelle Verluste der Genossenschaft. Allerdings nur bis zu dem Betrag, der für die Anteile gezahlt wurde (z.B. 1.000 Euro). Es ist aber auch möglich, dass in der Satzung eine Nachschusspflicht im Verlustfall vereinbart ist.
Mitbestimmung:
Mitglieder wirken an Entscheidungen der Genossenschaft aktiv mit (Investitionen, Dividendenzahlung, Neubauprojekte, Wahl von Vorstand und Aufsichtsrat uvm.).
Langwierige Prozesse:
Entscheidungen können länger dauern, da sie demokratisch getroffen werden müssen. Dadurch ist auch ein Investitionsstau bei der Modernisierung möglich.
Langfristige Stabilität:
Wohnungsgenossenschaften streben nach langfristigen Mitgliedern und dem Erhalt ihrer Immobilien.
Beschränktes Angebot:
Geringere Flexibilität bei der Auswahl der Wohnung, da das Angebot begrenzt ist. Wenn ein Angebot für eine Genossenschaftswohnung kommt, muss dies meist angenommen werden.
Soziales Umfeld:
Gemeinschaftsprojekte, Nachbarschaftshilfe und Feste gehören zum genossenschaftlichen Leben häufig dazu.
Reparaturen und Instandhaltung:
Mitglieder können verpflichtet sein, sich an Instandhaltungskosten oder Modernisierungen zu beteiligen (genau wie bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft).
Auszahlbarkeit der Anteile: Genossenschaftsanteile können beim Austritt (abzüglich eventueller Verluste) zurückerstattet werden. Manchmal werden sie sogar verzinst ausgezahlt.Rückgabe der Anteile:
Die Rückzahlung der Anteile ist zeitlich verzögert und kann sogar Jahre dauern.
Dividendenzahlung möglich:
Wenn die Wohnungsgenossenschaft Gewinne erzielt, kann sie Teile davon als Dividende an ihre Mitglieder auszahlen.
 
Keine Spekulationen:
Wohnungen oder Immobilien werden nicht zur Gewinnmaximierung verkauft und unterliegen, wenn überhaupt, nur sehr geringen Mietpreissteigerungen.
 
Guter Zugang zu Handwerkern:
Viele Genossenschaften haben Handwerker unter ihren Mitgliedern. Diese arbeiten gerne bevorzugt für die Genossenschaft, sodass schnellere Reparaturen und Wartungen möglich sind.
 
Frau und Mann sitzen nebeneinander auf einem Sofa. Sie schauen sich gemeinsam den ROLAND Newsletter auf einem Tablet an.

ROLAND Newsletter erhalten

Ihre Rechte kennen und nachhaltige Lösungen für ein besseres Miteinander finden? Unsere Rechtstipps für den Alltag helfen Ihnen dabei!
Bitte füllen Sie das Pflichtfeld aus.
Bitte füllen Sie das Pflichtfeld aus.

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 28. April 2025 veröffentlicht (Haftungsausschluss).

Unser Partneranwalt

Felix Beer ist Partner der Kanzlei Besold Rechtsanwälte, die auf die Gebiete des Zivilrechts, des Verkehrs-, Miet-, Familien-, Erb-, Arbeitsrechts, sowie auf dem Gebiet des Sozialrechts spezialisiert ist. Bereits seit Beginn seiner Tätigkeit vertritt Felix Beer Mandanten vor allem im Mietrecht, sodass ihm die täglichen Probleme der Vermieter und Mieter von der Nebenkostenabrechnung bis zur Kündigung und Schönheitsreparaturen bestens bekannt sind. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im Bau- und Architektenrecht sowie im Kaufrecht, insbesondere beim Verkauf von Immobilien.

Felix Beer

Felix Beer

Kanzlei Besold Rechtsanwälte

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Miet- und Immobilienrechtsschutz“