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Minusstunden: Kündigung, Regeln & mehr

Karriere & Beruf

Im Arbeitsvertrag ist die Anzahl der Arbeitsstunden, zu denen ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, festgehalten. Wenn er mehr arbeitet, leistet er Überstunden. Dahingegen fallen Minusstunden an, wenn er unter der vereinbarten Arbeitszeit bleibt. Häufig führen Minusstunden im Arbeitsverhältnis schnell zu Unklarheiten und Streitigkeiten.

Darum erfährst du hier alles, was du zum Thema wissen musst. Wir erklären, wie Minusstunden genau definiert sind, ob der Arbeitgeber sie anordnen darf und wie du sie wieder abbauen kannst. Zudem werfen wir einen Blick darauf, wie sie sich auf den Lohn auswirken können und warum Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Vermeidung von Minusstunden verpflichtet sind. Hierbei unterstützt uns ROLAND Partneranwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Monika Majcher-Byell von der RATIS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Was sind Minusstunden und wie werden sie erfasst?

Minusstunden sind als Unter- oder Minderstunden zu verstehen. Mit anderen Worten sind unter Minusstunden die Arbeitsstunden gemeint, die die vertraglich festgelegte Arbeitszeit unterschreiten. Beispielsweise leistet ein Arbeitnehmer in einer Woche 36 Arbeitsstunden. Allerdings sieht sein Arbeitsvertrag 38 Stunden vor. Somit hat der Arbeitnehmer zwei Minusstunden angesammelt.

Arbeitszeitkonto und Minusstunden

Jedoch können Minusstunden nach Arbeitsrecht nur entstehen, wenn die Arbeitszeit über ein Zeiterfassungssystem festgehalten und auf einem Arbeitszeitkonto dokumentiert wird. Dabei ist es entscheidend, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitszeitkonto zugestimmt hat. So muss sich im Arbeits- oder Tarifvertrag eine entsprechende wirksame Regelung befinden.

Vor allem eignet sich ein Arbeitszeitkonto für Branchen mit Schichtdienst, Saisonarbeit oder unregelmäßiger Auftragsarbeit. Wenn der Arbeitgeber zudem Gleitzeit ermöglicht, bietet er hohe Flexibilität. „Denn so kann er beispielsweise feste Kernarbeitszeiten und Höchstgrenzen für Über- bzw. Minusstunden festlegen. Dann kann der Arbeitnehmer Minusstunden durch Überstunden eigenverantwortlich ausgleichen.“, erklärt die Fachanwältin für Arbeitsrecht Monika Majcher-Byell. „Bei Vertrauensarbeitszeit ohne Arbeitszeitkonto können Minusstunden selbständig auf Vertrauensbasis ausgeglichen werden.“

Ursachen für Minusstunden

Minusstunden fallen für den Arbeitnehmer an, wenn er

  • zu spät zur Arbeit erscheint.
  • die Mittagspause überzieht.
  • vorzeitig Feierabend macht.
  • während der Arbeitszeit private Besorgungen erledigt.

Gesetzlich sind Details zu Minusstunden wie Höchstmaß und Ausgleichszeitraum nicht geregelt. Daher entscheidet hier, was im jeweiligen Arbeits- oder Tarifvertrag vereinbart ist. “Falls keine Klausel zu Minusstunden existiert, sind sie im Grunde genommen auch nicht möglich”, unterstreicht die Arbeitsrechtlerin.

Sind Minusstunden ein Kündigungsgrund?

Gleicht ein Arbeitnehmer seine Minusstunden im festgelegten Zeitraum nicht aus, verstößt er gegen seine vertraglichen Pflichten. Dementsprechend ist der Arbeitgeber zu einer Abmahnung oder Gehaltskürzungen berechtigt. Unter Umständen kann eine fristlose Kündigung die Folge sein. So entschied das Landesarbeitsgericht Hamburg 2016, dass die vereinbarte Arbeitsleistung zu den Kernpflichten des Arbeitnehmers gehört und erklärte damit eine fristlose Kündigung wegen Minusstunden für wirksam.

Und was passiert mit Minusstunden bei einer Kündigung? Wenn der Arbeitgeber für die Minusstunden verantwortlich ist, verfallen sie bei einer Kündigung. Andererseits darf der Arbeitgeber den letzten Lohn kürzen, wenn der Arbeitnehmer die Minusstunden verschuldet hat.

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Darf der Arbeitgeber Minusstunden anordnen?

Wenn es nicht genug Arbeit gibt, können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nach Hause schicken. Gründe dafür können Betriebsstörungen wie Stromausfälle oder IT-Probleme, aber auch eine schlechte Auftragslage sein. „Weil in diesen Fällen die Minusstunden durch den Arbeitgeber verursacht wurden, dürfen sie nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen.“, weist Fachanwältin für Arbeitsrecht Monika Majcher-Byell hin. Das bedeutet, nicht verschuldete Minusstunden dürfen weder auf dem Arbeitszeitkonto vermerkt werden noch zu Lohnkürzungen führen.

Wenn der Arbeitgeber nicht ausreichend Arbeit für den Arbeitnehmer hat, befindet er sich nach § 615 BGB im Annahmeverzug. Demnach trägt er die Verantwortung für die Minusstunden. Allerdings muss der Arbeitnehmer arbeitswillig sein und seine Arbeitskraft anbieten. Damit hat er seine vertragliche Pflicht erfüllt.

So können Minusstunden abgebaut werden

Minusstunden verfallen nicht. Deswegen muss ein Arbeitnehmer Minusstunden, die durch ihn verursacht wurden, nacharbeiten. So muss er sein Arbeitszeitkonto durch Überstunden innerhalb des vertraglich festgelegten Zeitraums wieder ausgleichen. Andernfalls ist der Arbeitgeber berechtigt, den Lohn zu kürzen.

Doch nicht immer ermöglichen Arbeitgeber flexible Arbeitszeiten, um Minusstunden nachzuarbeiten. „Mitunter verrechnen Arbeitgeber Minusstunden abenteuerlich. Tatsächlich werden Minusstunden sogar vom Urlaubsanspruch abgezogen.“, berichtet ROLAND Partneranwältin Majcher-Byell. Jedoch sind solche Vorgehensweisen nicht rechtens.

Können Minusstunden mit Urlaub verrechnet werden?

Es ist nicht möglich, Minusstunden mit Urlaub zu verrechnen. Denn Arbeitnehmer haben einen gesetzlichen Urlaubsanspruch. Dabei sollen die Urlaubstage der Erholung dienen. Zudem darf Urlaub nicht rückwirkend, sondern nur zukünftig gewährt werden. Demnach ist es für den Arbeitgeber nicht zulässig, bei Minusstunden den Urlaub zu kürzen.

Sind Minusstunden bei Krankheit und wegen Feiertagen möglich?

Minusstunden bei Krankheit sind durch den Arbeitnehmer unverschuldet. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) regelt diesen Fall klar: Wenn sich der Arbeitnehmer entsprechend den Vereinbarungen seines Arbeitsvertrags ordnungsgemäß krankmeldet und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, dürfen die Fehltage nicht als Minusstunden verbucht werden. Ebenso sind Minusstunden wegen Feiertagen nicht rechtens. § 2 EFZG verpflichtet auch hier den Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung.

Fortbildungen stellen einen Sonderfall dar. Denn bildet sich der Arbeitnehmer auf eigene Initiative während seiner Arbeitszeit fort, können Minusstunden angerechnet werden. „Falls die Fortbildung ein Wunsch des Arbeitgebers ist, ist dies keine Fehlzeit. Der Arbeitnehmer ist dann nicht verantwortlich für die Minusstunden“, sagt Fachanwältin für Arbeitsrecht Monika Majcher-Byell. „Auch Bildungsurlaub zählt übrigens nicht als Minderarbeit.“

Dürfen Minusstunden vom Lohn abgezogen werden?

Der Arbeitnehmer kann Minusstunden durch Mehrarbeit wieder ausgleichen. Allerdings kann der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen bei Minusstunden den Lohn kürzen. Zunächst ist ausschlaggebend, ob ein Arbeitszeitkonto vorliegt. Wenn keins existiert oder der Arbeitnehmer diesem vertraglich nicht zugestimmt hat, darf der Arbeitgeber auch das Gehalt nicht kürzen. Zudem muss der Arbeitnehmer für eine berechtigte Lohnkürzung gegen seinen Arbeitsvertrag verstoßen. Beispielsweise ist das der Fall, wenn der Arbeitnehmer

  • mehr Minusstunden auf seinem Arbeitskonto hat als vertraglich erlaubt.
  • die Minusstunden innerhalb des festgelegten Ausgleichszeitraums nicht nachgearbeitet hat.
  • weniger arbeitet als vereinbart.

„Lohnkürzungen sind immer nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer die Minusstunden auch selbst zu verantworten hat. Nicht hingegen bei Annahmeverzug des Arbeitgebers“, zeigt Arbeitsrechtlerin Majcher-Byell nochmals auf.

Was passiert mit Minusstunden nach Ende des Arbeitsverhältnisses?

Darf der Arbeitgeber Minusstunden vom Gehalt abziehen bei einer Kündigung? Sofern ein Arbeitszeitkonto vorliegt, darf der Arbeitgeber bei Minusstunden den Lohn kürzen. Vorausgesetzt, der Arbeitnehmer trägt die Schuld an ihnen. Liegt der Grund hingegen beim Arbeitgeber, darf er keine Minusstunden abziehen bei einer Kündigung. Dann muss er das Gehalt in voller Höhe auszahlen und die Fehlzeit verfällt mit Austritt aus dem Unternehmen.

Minusstunden bei Kurzarbeit, Ausbildung und Mutterschutz

In wirtschaftlichen Schieflagen können Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen. „Für Arbeitgeber ist die Anrechnung von Minusstunden bei Kurzarbeit sehr attraktiv. Doch Arbeitnehmer müssen das nicht hinnehmen“, führt ROLAND Partneranwältin Majcher-Byell aus. Beispielsweise waren Minusstunden wegen Corona-Auswirkungen nicht rechtens. Denn der Arbeitnehmer trägt keine Verantwortung für die Minderarbeit. Er war arbeitswillig und hat seine Arbeitskraft angeboten. Die Ursache für die Minusstunden lag beim Arbeitgeber, weil er keine Arbeit anbieten konnte.

Des Weiteren sind auch Minusstunden in der Ausbildung nicht zulässig. Denn rechtlich befinden sich Auszubildende in keinem regulären Arbeitsverhältnis. Demnach muss der Arbeitgeber die vereinbarte Arbeitszeit gewährleisten. Schickt er den Auszubildenden früher nach Hause, weil es nicht genug Arbeit gibt, zählt das als bezahlte Freistellung.

Sind Minusstunden in der Schwangerschaft möglich? Grundsätzlich gelten hier die gleichen Regeln wie für alle anderen Arbeitnehmer. Allerdings bilden Vorsorgeuntersuchungen einen Sonderfall. Zwar unterliegen Schwangere der Treuepflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber. Das bedeutet, dass sie angehalten sind, die Arzttermine in ihre Freizeit zu legen. „Falls dies aber nicht möglich ist, haben Schwangere einen Anspruch auf eine bezahlte Freistellung“, erklärt die Fachanwältin für Arbeitsrecht.

Geht die Schwangere mit Minusstunden in Mutterschutz, wird dies wie bei einer Kündigung abgewickelt. Wenn ein wirksames Arbeitszeitkonto existiert, werden die Minusstunden mit dem Lohn verrechnet.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 26. April 2023 veröffentlicht (Haftungsausschluss).

Unsere Partneranwältin

Rechtsanwältin Monika Majcher-Byell ist Fachanwältin für Arbeitsrecht sowie Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Sie ist seit 2008 als Rechtsanwältin zugelassen und seit dem Jahr 2017 in der Kanzlei RATIS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Passau ausschließlich auf Arbeitsrecht für Arbeitnehmer, insbesondere in Kündigungsschutzstreitigkeiten spezialisiert.

Monika Majcher-Byell

Monika Majcher-Byell

RATIS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Arbeits- und Berufsrechtsschutz“