Plötzlich klingelt das Telefon. Nach dem Abheben meldet sich eine völlig in Tränen aufgelöste Stimme – angeblich ein naher Verwandter, der in Schwierigkeiten steckt und dringend Hilfe benötigt. Doch hier ist Vorsicht geboten. Denn es könnte sich um einen sogenannten Schockanruf handeln. Heutzutage ist diese Betrugsmasche ein weit verbreitetes Phänomen. Insbesondere Senioren fallen Schockanrufen zum Opfer. Aber auch andere Bevölkerungsgruppen sind gefährdet.
Daher erfährst du hier, wie du einen Betrüger erkennst, welche Schritte im Falle eines Betrugsfalls zu unternehmen sind und wie du dich wirkungsvoll vor Schockanrufen schützt.
Was sind Schockanrufe?
Schockanrufe werden aktuell häufig von der Polizei beobachtet. Dabei handelt es sich um einen Telefonbetrug, bei dem sich die Täter als nahe Angehörige ausgeben, die sich in einer Notlage befinden. „Zudem setzen die Anrufer ihr Opfer massiv unter Druck, wenn sie sich bei weiteren Anrufen als Vertreter staatlicher Institutionen wie beispielsweise der Polizei oder Staatsanwaltschaft ausgeben”, berichtet Rechtsanwalt Dr. Heiko Weidenthaler über die Betrugsmasche der Schockanrufe.
Oftmals behaupten die Täter, dass sie auf die dringende finanzielle Unterstützung des Opfers angewiesen sind. Die Betrüger spielen beim Schockanruf vor, eine Straftat begangen oder einen Verkehrsunfall verursacht zu haben. Sie bitten das Opfer, eine Kaution oder eine Entschädigung zu zahlen, um einer vermeintlichen Haftstrafe zu entgehen. Dabei werden Beträge von bis zu 100.000 Euro gefordert. Sobald das Opfer auf die Forderungen eingeht, erscheint ein Abholer vor der Haustür oder es wird ein Ort für die Übergabe vereinbart.
„Die Täter gehen strategisch vor. Nicht nur rufen sie mehrmals an, sondern spielen auch mit mehreren handelnden Personen dem Opfer ein beängstigendes Szenario vor”, erklärt der Jurist. Beispielsweise übernimmt ein Betrüger die Rolle des angeblichen Familienmitglieds und ein anderer spielt im nächsten Anruf den Polizeibeamten oder Staatsanwalt. Dadurch entsteht ein Schockmoment. Wenn nun auch noch zeitlicher Druck aufgebaut wird, lässt sich das Opfer schnell zu unüberlegten Handlungen drängen. Fortan binden die Betrüger das Opfer durch kontinuierliche Anrufe an sich, um die Kontaktaufnahmen zur realen Verwandtschaft und zur Polizei zu verhindern.
Schockanruf: Beispiele
Schockanrufe sind eine Weiterentwicklung des Enkelbetrugs. Während beim Enkeltrick die Gauner vorgaukeln, ein Enkel zu sein, der Geld für eine einmalige Chance benötigt – beispielsweise den Kauf einer Immobilie oder eines Autos – wird das Opfer beim Schockanruf durch eine schlechte Nachricht in Panik versetzt.
Zum Beispiel erfährt das Opfer beim Anruf, dass die Tochter einen Unfall hatte und unverzüglich Geld für die notwendige Operation benötigt. Ebenso kann ein vermeintliches Enkelkind per Anruf mitteilen, dass es eine Frau überfahren hat und dringend Geld für die Kaution benötigt, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen.
„Bei Schockanrufen zeigen die Erfahrungen, dass es sich häufig um die Kombination verschiedener Betrugsmaschen handelt”, weiß Rechtsanwalt Dr. Heiko Weidenthaler. Unter anderem fließt auch der Trick des „falschen Polizisten” mit ein. Hier werden beispielsweise Anrufe der Polizei vorgetäuscht, die nach einem Enkeltrickbetrüger fahndet. Unter dem Vorwand, das Bankkonto auf Falschgeld überprüfen zu können, fragen die vermeintlichen Beamten dann die Bankdaten ab.
Wer steckt hinter Schockanrufen?
Hinter Schockanrufen steckt meist organisierte Kriminalität. Die betrügerischen Anrufer, von der Polizei Keiler genannt, sind psychologisch geschult. „Sie verstehen es bestens, den Opfern das Gefühl zu vermitteln, mit der eigenen Tochter oder dem Sohn zu sprechen. Durch geschickte Manipulation trüben sie die Wahrnehmung. Dadurch können die Opfer kaum noch zwischen Fake und Realität unterscheiden”, geht der Rechtsexperte in die Tiefe.
Oftmals sitzen die Keiler in Callcentern, von denen aus sie systematisch Anrufe tätigen. Nach den bisherigen Ermittlungen des Berliner Landeskriminalamtes führen die Spuren der Drahtzieher überwiegend gen Osteuropa zu polnischen Großfamilien.
Neben den Keilern gehören auch die sogenannten Logistiker zur Betrugs-Gang. Ihre Aufgabe besteht darin, die Geldübergabe bzw. die Übergabe von Wertgegenständen zu koordinieren. Hinzu kommen noch die Abholer, die letztendlich das Geld beim Opfer einsammeln. Damit dies effizient geschieht, sind Schockanruf-Banden in der Regel regional aktiv. Daher häuft sich die Betrugsmasche oft in bestimmten Regionen. „Sobald die ersten Betrugsfälle bekannt sind, gibt die Polizei detaillierte Warnhinweise an die Bevölkerung in den betroffenen Städten und dem Umland raus”, weist Herr Dr. Weidenthaler, Fachanwalt für Sozialrecht, hin.
Unterstützung durch Künstliche Intelligenz (KI)
Noch spielt die KI bei Schockanrufen eher eine Nebenrolle. Dennoch ist Vorsicht geboten. Denn KI schafft die Voraussetzungen, Stimmen von Angehörigen der Opfer realistisch zu imitieren. Dadurch gewinnen Schockanrufe an Heimtücke.
Aktuell ist der Einsatz von KI bei einem Telefonbetrug noch deutlich aufwendiger als ein menschlicher Anruf. Zudem ist es bisher nur möglich, von der KI-Stimme einen vorgefertigten Text sprechen zu lassen. „Von einer zwischenmenschlichen Gesprächsführung, die das Opfer gezielt manipulieren kann, ist die KI derzeit noch weit entfernt”, sagt der Jurist.
Was tun im Falle eines Schockanrufs?
Wer versehentlich bei einem herkömmlichen Telefonbetrug „Ja” gesagt hat, hat meist einen rechtlich bindenden Vertrag geschlossen. Hier gilt es dann, den Vertrag zu widerrufen, sich nicht einschüchtern zu lassen und rechtlichen Beistand hinzuzuziehen. „Da bei einem Schockanruf aber kein Vertrag geschlossen wird, gilt hier ein anderer Handlungsleitfaden”, erklärt Rechtsanwalt Dr. Heiko Weidenthaler.
Handlungsleitfaden
Viele Opfer eines Schockanrufes verheimlichen den Vorfall. Einerseits sind sie beschämt, der Masche auf den Leim gegangen zu sein und womöglich ihr gesamtes Erspartes verloren zu haben. Andererseits haben sie Angst davor, dass die Täter zurückkommen könnten.
Um immer auf der sicheren Seite zu sein, ist es hilfreich sich einen Leitfaden bei Schockanrufen heranzuholen. Wir haben dir einen Musterleitfaden zum Download erstellt. Lade die Übersicht herunter und mache dir keine Sorgen mehr bei vermeintlichen Schockanrufen.
Schockanrufe melden: ja oder nein?
Soll man einen Schockanruf melden? Aufgrund mangelnder Anhaltspunkte für Ermittlungsansätze liegt laut Polizeilicher Kriminalstatistik 2022 die Aufklärungsquote im Bereich Betrug bei nur 58 Prozent. „Dennoch ist es wichtig, jeden Schockanruf – auch fehlgeschlagene Anrufe – der Polizei unter der 110 zu melden und zur Anzeige zu bringen”, erklärt der Rechtsexperte. Denn nur so können eventuell Geld zurückgeholt, die Ermittlungen unterstützt und die Bevölkerung gewarnt werden.
Hilfe und Unterstützung für Betroffene
Auch wenn Schockanrufer systematisch und sehr geschickt vorgehen, gibt es Merkmale, die erleichtern, die Trickbetrüger zu erkennen. Wenn nach einem verdächtigen Anruf mehr als zwei der folgenden Fragen mit „Ja” beantwortet werden müssen, ist es ratsam, der Polizei einen Schockanruf zu melden:
- Wurde ich angerufen?
- Sollte ich noch heute das Geld übergeben?
- Wurde mir verboten, über den Grund der Bargeldabhebung zu sprechen?
- Hat sich der Anrufer als Familienangehöriger, Polizist, Arzt, Notar oder Richter ausgegeben?
- Sollte ich das Geld einer mir unbekannten Person übergeben?
- Sollte ich etwas überweisen oder eine Geldwertkarte kaufen?
In vielen Bundesländern bietet die Polizei Kriminalpräventionskurse für Senioren an, die über Telefonbetrug wie Schockanrufe ausführlich aufklären. „Hier wird auch thematisiert, wie wichtig es ist, über einen Schockanruf mit der Familie oder Freunden zu reden. Denn der Vorfall kann psychisch sehr belastend sein”, zeigt der Jurist auf. Falls die Scham dennoch zu hoch ist, können auch Telefonseelsorger anonym zur Hilfe gezogen werden.
Falls Schadensersatzansprüche nach einem Schockanruf geltend gemacht werden sollen, kann ROLAND Rechtsschutz mit Mediation unterstützen.
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 26. Juni 2024 veröffentlicht (Haftungsausschluss).
Unser Partneranwalt
ROLAND-Partneranwalt Dr. Heiko Weidenthaler ist seit 13 Jahren Fachanwalt für Arbeitsrecht und vertritt Privatpersonen, Verbände und Unternehmen in allen arbeitsrechtlichen Fragen sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich. In der Kanzlei Blankenburg Frank Weidenthaler, Rechtsanwälte Fachanwälte, welche einen Standort in Bad Kissingen und einen Standort in Ebern hat, ist er als Fachanwalt für Sozialrecht und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht auch Ansprechpartner in diesen Rechtsgebieten.
Dr. Heiko Weidenthaler
Kanzlei Blankenburg Frank Weidenthaler, Rechtsanwälte Fachanwälte