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Rechtliches rund um die betriebliche Übung – das solltest du wissen!

Karriere & Beruf

In diesem Artikel erklären wir dir, was eine betriebliche Übung ist, ob es gesetzliche Regelungen dazu gibt und wir zeigen dir anhand von Beispielen, wann eine betriebliche Übung entsteht.

Zudem werfen wir einen Blick darauf, welche Ansprüche du hast. Abschließend klären wir, wie der Arbeitgeber eine betriebliche Übung beenden oder ausschließen kann.

Was ist eine betriebliche Übung?

Die betriebliche Übung ist eine Art des Gewohnheitsrechts. Denn aus der regelmäßigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers können Arbeitnehmer schließen, dass ihnen eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt wird.

Beispiele für Leistungen des Arbeitgebers, die eine betriebliche Übung begründen können:

  • Sonderzahlungen
  • Zahlung von Essensgeld oder Subventionierung des Kantinenessens
  • Kostenübernahme von Weiterbildungen
  • Gestattung von privater Internetnutzung
  • Freistellungen an bestimmten Tagen wie beispielsweise Rosenmontag
  • freiwillige Anwendung eines Tarifvertrags

„Rechtlich gesehen stellt eine betriebliche Übung ein Vertragsangebot des Arbeitgebers dar, das vom Arbeitnehmer durch schlüssiges Verhalten angenommen wird”, erklärt Anwalt Felix Prochnow. Allerdings ist die betriebliche Übung in keinem Gesetz genau geregelt. Vielmehr beruht sie auf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, worüber die betriebliche Übung ins Arbeitsrecht einfließt.

Wie entsteht eine betriebliche Übung?

Eine betriebliche Übung ist weder arbeits- noch tarifvertraglich geregelt. Der Arbeitgeber gewährt die Leistung zunächst freiwillig und vorbehaltlos. Allerdings gibt es für die Entstehung von betrieblichen Übungen Voraussetzungen. „Ein mindestens dreimal wiederholtes Verhalten in gleichförmiger Weise ist ein starker Indikator für betriebliche Übung”, erläutert Anwalt Felix Prochnow. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer ab dem vierten Mal eine entsprechende Leistung rechtlich beanspruchen können. Somit hat die betriebliche Übung das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf die Leistung zur Folge.

Betriebliche Übung – Beispiele

Betriebliche Übungen können nicht nur finanzielle Leistungen, sondern auch Teil der Arbeitsorganisation sein. Folgend einige Beispiele:

Betriebliche Übung Weihnachtsgeld

Ein klassisches Gewohnheitsrecht ist zum Beispiel die jährliche Zahlung von Weihnachtsgeld. Dieses gewährt der Arbeitgeber über mehrere Jahre hinweg in derselben Art und Weise. So ist die Höhe immer gleich oder die Art, wie es berechnet wird. Zudem wird es immer zu einem bestimmten Datum ausgezahlt.

Betriebliche Übung Urlaub

Gerade die Art und Weise, wie Urlaub verteilt wird oder wie Mitarbeiter ihn einreichen müssen, kann zum Gewohnheitsrecht werden. „Auch wie und wann Pausen gemacht werden, kann betriebliche Übung sein, wenn dies über einen langen Zeitraum auf ein und dieselbe Art geregelt wurde”, wirft Anwalt Felix Prochnow ein.

Betriebliche Übung Überstunden

Werden Überstunden ausbezahlt? Oder muss Freizeitausgleich genommen werden? Oft bestehen dazu betriebliche Übungen, von denen Arbeitgeber nicht ohne Weiteres abweichen dürfen. Wenn über Jahre hinweg immer ein Zuschlag für Überstunden gezahlt wurde, kann der Arbeitgeber nicht plötzlich stattdessen auf einen Freizeitausgleich pochen.

Betriebliche Übung Homeoffice

Auch Homeoffice kann zur betrieblichen Übung werden, wenn das Arbeiten von zu Hause aus sich über einen längeren Zeitraum zur Gewohnheit entwickelt hat. Allerdings kann aus der Homeoffice-Pflicht im Zuge der Corona-Pandemie keine betriebliche Übung entstehen. Denn in diesem Fall war das Homeoffice anlassbezogen. „Arbeitgeber kamen damit ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach dem IfSG und der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung nach”, weist Anwalt Felix Prochnow hin.

Kann der Arbeitgeber eine betriebliche Übung ausschließen?

Der Arbeitgeber kann die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindern. Dazu hat er mehrere arbeitsrechtliche Möglichkeiten:

Freiwilligkeitsvorbehalt

Durch die Erklärung eines Freiwilligkeitsvorbehalts kann die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindert werden. Denn dadurch bringt der Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitern deutlich zum Ausdruck, dass die Leistungen freiwillig sind. Der Freiwilligkeitsvorbehalt vertraglich regelt werden. Ebenso kann er einseitig vom Arbeitgeber erklärt werden. Beispielsweise ist eine Formulierung wie „Die Gewährung sonstiger Leistungen (z. B. Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld) durch den Arbeitgeber erfolgt freiwillig und mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird”, denkbar. Solche pauschalen Freiwilligkeitsvorbehalte bedeuten für den Arbeitgeber jedoch ein Risiko, da diese unwirksam sein können. Für den Arbeitnehmer hingegen ergibt sich daraus, dass ein durch den Arbeitgeber einseitig mitgeteilter Freiwilligkeitsvorbehalt die betriebliche Übung nicht zwingend ausschließt und ein Anspruch auf die Leistung dennoch bestehen kann. Auch in Arbeitsverträgen vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalte können sich im Wege der sogenannten AGB-Kontrolle als unwirksam herausstellen.

Keine Regelmäßigkeit

Werden Leistungen nicht regelmäßig erbracht, entsteht keine betriebliche Übung. Beispielsweise zahlt ein Arbeitgeber ohne vertragliche Verpflichtung in den Jahren 2019 und 2020 ein Weihnachtsgeld. Hingegen gibt es 2021 keine derartige Zahlung. Wenn er 2022 wieder ein Weihnachtsgeld zahlt, entsteht in der Regel keine betriebliche Übung. Denn die Weihnachtsgeldzahlungen erfolgten nicht regelmäßig über mindestens drei Jahre hintereinander.

Bis 2015 konnte eine betriebliche Übung auch verhindert werden, wenn der Arbeitgeber zwar regelmäßige Sonderzahlungen, allerdings in schwankender Höhe gewährte. Wenn es 2012 ein Urlaubsgeld pauschal in Höhe von 600 Euro gab, 2013 800 Euro und 2014 300 Euro, entstand dadurch nach alter Rechtsprechung keine betriebliche Übung. „Das BAG hat mit einem Urteil vom 1. Mai 2015 Zahlungen mit schwankender Höhe jedoch denen mit gleichmäßiger Höhe gleichgestellt. Seitdem gilt, dass ein Recht aus betrieblicher Übung auch bei Leistungen in schwankender Höhe entstehen kann”, erläutert Anwalt Felix Prochnow.

Neue Mitarbeiter

Sofern eine betriebliche Übung Vorteile für den Arbeitnehmer hat, gilt sie auch für alle neu eingestellten Mitarbeiter. Allerdings können neue Mitarbeiter explizit in ihrem Arbeitsvertrag von einer betrieblichen Übung ausgeschlossen werden. Jedoch muss der Arbeitgeber dies sachlich rechtfertigen.

Doppelte Schriftformklausel

Bis 2008 war es möglich, betriebliche Übungen durch doppelte Schriftformklauseln zu verhindern. Was ist eine doppelte Schriftformklausel? Beispiel: „Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bedürfen der Schriftform. Die Aufhebung der Schriftformklausel bedarf ebenfalls der Schriftform.“ Allerdings halten nach einem Urteil des BAG von 2008 solche Klauseln kaum noch stand. Demnach hilft eine doppelte Schriftformklausel dem Arbeitgeber nicht mehr zwingend weiter, um einen mündlich durch betriebliche Übung entstandenen Anspruch auszuschließen. Auch hier muss eine Klausel stets im Einzelfall geprüft werden. Handelt es sich um einen älteren Vertrag, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass derartige Klauseln gegen heutiges Recht und Gesetz verstoßen und daher unwirksam sind.

Kann eine betriebliche Übung beendet werden?

Ansprüche, die aus einer betrieblichen Übung entstanden sind, sind Gegenstand des Arbeitsvertrags. Auch wenn sie nicht schriftlich in diesem festgehalten sind. Dementsprechend kann eine betriebliche Übung nicht ohne Weiteres beendet werden. Jedoch kann der Arbeitgeber es mit einem Widerruf oder einer Änderungskündigung versuchen.

Widerruf

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber eine Betriebsübung nicht einseitig beenden. Das kann er nur, wenn er sich ausdrücklich in rechtmäßiger Weise das Recht zum Widerruf der betrieblichen Übung vorbehalten hat. Zudem muss auch der Widerruf selbst gerechtfertigt sein.

Änderungskündigung

Kann der Arbeitgeber die betriebliche Übung nicht im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer beseitigen, kann eine Änderungskündigung weiterhelfen. Hier spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus und legt dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsvertrag vor, der den Gegenstand der betrieblichen Übung ausschließt. Allerdings muss die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt sein. Die soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung kann, ebenso wie die einer regulären Beendigungskündigung, durch eine Klage hiergegen – der sogenannten Änderungsschutzklage – gerichtlich geprüft werden. Wichtig für den Arbeitnehmer: Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, muss der Arbeitnehmer schnell handeln, wenn er die Wirksamkeit der Änderung gerichtlich prüfen lassen will. Die Frist zur Erhebung einer Änderungsschutzklage beträgt ebenso wie bei der Kündigungsschutzklage 3 Wochen ab dem Zugang der Änderungskündigung. Zugleich sollte die Änderung in der Regel unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung angenommen werden, damit das Arbeitsverhältnis auch dann weitergeführt wird, wenn das Gericht die angegriffene Änderung als wirksam erachtet.

Betriebliche Übung und Betriebsvereinbarung

Auch eine Betriebsvereinbarung kann eine betriebliche Übung nicht einfach so beseitigen. Denn die Ansprüche aus einem gewohnheitsrechtlichen Anspruch wie der betrieblichen Übung werden Teil des Einzelvertrags. Der Betriebsrat darf Einzelverträge nicht zulasten anderer abändern.

Allerdings kann durch das sogenannte Günstigkeitsprinzip eine betriebliche Übung durch eine Betriebsvereinbarung beendet werden, wenn die daraus entstehenden Ansprüche der Arbeitnehmer insgesamt nicht ungünstiger sind. Mit anderen Worten: „Das Gewohnheitsrecht kann nur beendet werden, wenn nach dem kollektiven Günstigkeitsvergleich der Wegfall der betrieblichen Übung durch andere Leistungen ausgeglichen wird. Der Arbeitnehmer verliert die Ansprüche aus der betrieblichen Übung im Gegenzug für andere und insgesamt bessere Leistungen”, erklärt Anwalt Felix Prochnow.

Zudem werden Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen üblicherweise durch einen Tarifvertrag geregelt. Durch den Tarifvorrang dürfen sie nicht Teil einer Betriebsvereinbarung sein.

Betriebliche Übung anfechten wegen Irrtums

Eine Betriebsübung ist keine vertragliche Willenserklärung des Arbeitgebers. Nach § 119 BGB muss aber eine Willenserklärung vorliegen, damit die daraus entstehenden Rechtsfolgen wegen Irrtums angefochten werden können.

Vielmehr basiert eine betriebliche Übung auf dem Verhalten des Arbeitgebers und dem Vertrauen des Arbeitnehmers. Auch wenn der Arbeitgeber sich im Irrtum über die Rechtsfolgen seines Verhaltens befand, hat er nicht seinen Willen durch sein Verhalten geäußert.

Trotzdem kann ein Irrtum seitens des Arbeitgebers wichtig sein. Nämlich dann, wenn der Arbeitgeber irrtümlicherweise davon ausgeht, dass er zu einer Leistung verpflichtet ist. Erkennt der Arbeitnehmer diesen Irrtum, darf er nicht auf die Fortführung der Leistung vertrauen.

Die Rechtslage bei betrieblichen Übungen ist komplex. Bei deinen Fragen kann dir ein Anwalt für Arbeitsrecht weiterhelfen. ROLAND bietet dir in deiner Rechtsschutzversicherung ein kompetentes Anwaltsnetz. Im Falle von Rechtsstreitigkeiten mit deinem Arbeitgeber bist du damit bestens aufgestellt.

Fazit: Das gibt es bei einer betrieblichen Übung zu beachten …

Eine betriebliche Übung entsteht durch die regelmäßige und vorbehaltlose Wiederholung eines bestimmten Verhaltens des Arbeitgebers, aus dem der Arbeitnehmer schließen kann, dass er die Leistungen oder Vergünstigungen auf Dauer erwarten kann. Auch wenn die Betriebsübung nicht verschriftlicht ist, ist sie Gegenstand des Arbeitsvertrags.

Durch eine Erklärung eines Freiwilligkeitsvorbehalts kann die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindert werden. Durch eine Vertragsänderung oder eine Änderungskündigung kann ein gewohnheitsrechtlicher Anspruch aus betrieblicher Übung beendet werden.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 8. August 2022 veröffentlicht (Haftungsausschluss).

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Rechtsanwalt Felix Prochnow ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und seit 2021 bei der Kanzlei Triskatis in Pinneberg tätig. Er ist seit 2017 als Rechtsanwalt zugelassen und beschäftigt sich seitdem überwiegend mit der Bearbeitung arbeitsrechtlicher Mandate. Neben diesen Tätigkeiten betreut Felix Prochnow auch das allgemeine Zivilrecht.

Felix Prochnow

Felix Prochnow

Kanzlei Triskatis

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Arbeits- und Berufsrechtsschutz“