Alter Mann mit Brille hat seinen Arm um junge Frau. Vor ihnen auf dem Tisch steht ein Laptop.

Elternunterhalt: Wann sind die Kinder in der Pflicht?

Leben & Freizeit

Was ist, wenn die eigenen Eltern im Alter nicht mehr für sich selbst sorgen können? Wegen der steigenden Lebenserwartung ist das für viele eine wichtige Frage. Denn wenn immer mehr Menschen älter werden, steigt die Anzahl an Pflegebedürftigen.

Die Unterbringung in einem Pflegeheim ist kostenintensiv. Oft reichen Rente und Ersparnisse der Betroffenen nicht aus, um die Pflegekosten zu decken. Dann werden die Kinder zur Kasse gebeten.

Doch ab wann ist die finanzielle Unterstützung verpflichtend? Hier erfährst du, was du zum Thema Elternunterhalt wissen musst. Zusammen mit Herrn Dr. Norbert Gierlach, Fachanwalt für Familienrecht an der Bonner Kanzlei Eimer Heuschmid Mehle Rechtsanwälte, zeigen wir dir, warum du durch frühe Auseinandersetzung mit dem Thema spätere finanzielle Engpässe vermeidest.

Wie viel kostet Pflege eigentlich und inwiefern wird unterstützt?

Die Höhe der Pflegekosten hängt stark vom jeweiligen Pflegeheim, dem Bundesland und dem Pflegegrad ab. Allerdings kommt die gesetzliche Pflegeversicherung nur für einen Teil der Kosten auf. Daher muss jeder Pflegebedürftige den sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) selbst tragen. „Dieser Betrag ist für alle gleich – unabhängig vom Pflegegrad“, so Rechtsanwalt Dr. Norbert Gierlach.

Darüber hinaus kommen Kosten für die Unterkunft und Verpflegung hinzu. Ebenso müssen Heimbewohner sich – je nach Heimvertrag - an Investitionskosten für Gebäude und Geräte beteiligen.

Durchschnittliche Kosten einer vollstationären Pflege

Eine Orientierung über die Kosten einer Pflegeheim-Betreuung liefert folgende Tabelle. „Hier sind die durchschnittlichen Leistungen der Pflegekasse und die Selbstbeteiligung nach Pflegegrad aufgelistet”, führt der Jurist aus.

PflegegradKosten PflegeheimAnteil PflegeversicherungEigenleistung
23.553 Euro770 Euro2.783 Euro
34.045 Euro1.262 Euro2.783 Euro
44.558 Euro1.775 Euro2.783 Euro
54.788 Euro2.005 Euro2.783 Euro

Quelle: Finanztip-Recherche, VDEK (Stand: Januar 2024)

Wenn keine private Pflegeversicherung vorhanden ist, muss der Pflegebedürftige den Eigenanteil selbst bezahlen. Dazu werden seine Einkünfte herangezogen. Zum Beispiel sind das Rente und Mieteinnahmen. Ebenso herangezogen wird – sofern überhaupt vorhanden – das Vermögen des Pflegebedürftigen.

Falls Altersvorsorge und Eigenvermögen nicht ausreichen, übernimmt zunächst das Sozialamt die ungedeckten Kosten. „Jedoch treiben Sozialämter mittels Sozialhilferegress den Elternunterhalt für das Pflegeheim bei Unterhaltspflichtigen wieder ein", weist Rechtsanwalt Dr. Norbert Gierlach hin.

Rechtliche Grundlagen des Elternunterhalts

Seit 2020 gilt das Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe. Demnach besteht nur eine Unterhaltspflicht für die Eltern, wenn sich das Jahresbruttoeinkommen des Kindes auf über 100.000 Euro summiert. Falls das Einkommen unter dieser Grenze liegt, besteht keine Unterhaltspflicht.

Insoweit sehen die § 1601 ff. BGB nur für Eltern und Kindern eine gegenseitige Unterhaltspflicht vor. Das bedeutet, dass das Sozialamt nur die Kinder, aber nicht Schwiegerkinder, Enkelkinder, Geschwister oder entferntere Verwandte zur Kostenübernahme heranziehen kann.

Berechnung des Elternunterhalts

Zunächst werden zur Deckung der Pflegekosten das Einkommen und das Vermögen der Eltern herangezogen. Solange die Eltern finanziell für sich sorgen können, greift die Unterhaltspflicht für die Kinder nicht.

Falls die Rente und die Pflegeversicherung nicht ausreichen, streckt die Sozialkasse die Kosten vor. Doch anschließend kann der Staat nach Prüfung der finanziellen Lage Forderungen an die Kinder stellen. „Denn Kinder sind verpflichtet, ihr Vermögen bei Elternunterhalts-Forderungen dem Sozialamt offenzulegen”, sagt der Rechtsexperte. Allerdings sind beim Elternunterhalt nur Jahresbruttoeinkommen über 100.000 Euro für eine Heranziehung zu Elternunterhalt relevant. Gezahlt werden muss auch nur dann, wenn der Elternunterhalt das Einkommen der Kinder nicht so stark schmälert, dass es zu einer nachhaltigen Verschlechterung des Lebensstandards führt.

Elternunterhalt-Rechner: Wie wird der Betrag ermittelt?

Folgend erklären wir Schritt für Schritt, wie der Elternunterhalt berechnet wird.

Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens

Als Grundlage der Berechnung des Elternunterhalts dient das durchschnittliche Nettoeinkommen der letzten zwölf Monate vor Eintritt des Unterhaltsbedarfs. Bei Selbstständigen wird der Netto-Durchschnitt der letzten drei bis fünf Jahre zugrunde gelegt.

Anschließend sind von diesem Durchschnittseinkommen folgende Posten abzugsfähig:

  • Ausgaben für den Beruf
  • Krankenvorsorge und krankheitsbedingte Aufwendungen
  • Darlehensverbindlichkeiten
  • private Altersvorsorge bis max. fünf Prozent des Bruttoeinkommens (über der Bemessungsgrenze bis zu 25 Prozent des Bruttoeinkommens)
  • Kosten für Besuche des Elternteils
  • Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern und Ehepartner

Hingegen sind Rundfunkgebühren, Beitragszahlungen für Haftpflicht- und Hausratversicherung, Kosten für tägliche Lebensführung wie Lebensmittel und Kleidung sowie Mietkosten bis 580 Euro nicht abzugsfähig. Denn diese Posten sind bereits im Selbstbehalt enthalten.

Elternunterhalt: Selbstbehalt abziehen

Ebenso darf vom bereinigten Nettoeinkommen für die Ermittlung des Elternunterhalts der Selbstbehalt abgezogen werden. „2023 lag dieser Freibetrag, der für die Ausgabe des täglichen Lebens der Kinder bestimmt ist und ihnen eine stabile Lebensgrundlage sichern soll, für Alleinstehende bei 2.000 Euro und für Ehepaare bei 3.600 Euro pro Monat”, klärt Dr. Norbert Gierlach, Fachanwalt für Familien- und Erbrecht, auf.

Nach Abzug des Selbstbehaltes ergibt sich das verminderte Nettoeinkommen, das zur Ermittlung der Unterhaltshöhe genutzt wird. Alleinstehende müssen von dieser Summe 50 Prozent als Unterstützungszahlung leisten, Verheiratete 55 Prozent.

Beispielrechnung

Eine alleinstehende Selbstständige hatte im letzten Jahr ein Einkommen unter der 100.000-Euro-Grenze. Aber im Durchschnitt der letzten drei Jahre lag ihr Jahreseinkommen bei über 100.000 Euro. Daher muss sie grundsätzlich zahlen. Verbleibt ihr aber nach Abzug aller unterhaltsrechtlich berücksichtigungsfähigen Ausgaben bspw. monatlich nur ein Betrag i.H.v. 1.700 Euro, liegt dieser unter dem Selbstbehalt. Daher ist sie nicht zum Elternunterhalt verpflichtet.

Wie ist der Elternunterhalt bei mehreren Kindern geregelt?

Wenn Geschwister vorhanden sind, wird zunächst das Einkommen jedes einzelnen geprüft. Falls ein Kind mehr als 100.000 Euro verdient, werden alle Geschwister in die Berechnung einbezogen und der Elternunterhalt anteilig für jeden ermittelt. Letztendlich sind aber nur Geschwisterkinder mit einem Einkommen über 100.000 Euro unterhaltspflichtig.

Elternunterhalt und Schonvermögen der Eltern

Das Schonvermögen der unterhaltsbedürftigen Eltern ist in § 90 SGB XII geregelt. Es beinhaltet Werte, die von der Berechnung von Unterhaltszahlungen verschont bleiben sollen. Demnach darf bei

den unterhaltsberechtigten Eltern das Schonvermögen nicht angetastet werden. Derzeit sieht das Gesetz einen generellen Schonbetrag von 10.000 Euro vor. „Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Form das Angesparte vorliegt. Ob Bargeld, Wertpapiere, Sparbuch oder Immobilien ist völlig egal”, wirft der Jurist ein.

Bei den unterhaltsverpflichteten Kindern spielt vorhandenes Vermögen im Regelfall keine Rolle. Unterhaltsrelevant sind vielmehr nur die laufenden Einkünfte sowie Vermögenserträge wie etwa Zinsen, vereinnahmte Miete etc., nicht aber das eigentliche Vermögen selbst.

Bei den laufenden Einkünften können die zum Elternunterhalt verpflichteten Kinder bei Einkünften unterhalb der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze bis zu fünf Prozent ihrer Brutto-Einkünfte als ergänzende Altersvorsorge, die auch in Vermögensbildung bestehen kann, als unterhaltsrechtlich abzugsfähig geltend machen, bei Einkünften über der Beitragsbemessungsgrenze bis zu 25 Prozent der überschießenden Einkünfte.

Ist das Vermögen des Ehepartners bei Elternunterhalt relevant?

Zwar werden für den Elternunterhalt Schwiegerkinder nicht herangezogen. Dennoch spielt zur Berechnung des Elternunterhalts das Einkommen des Ehepartners eine Rolle.

Elternunterhalt: Berechnung bei verheirateten Paaren

Wenn die 100.000-Euro-Grenze überschritten wird, wird das Einkommen des Ehepartners des zum Elternunterhalt verpflichteten Kindes bei der Elternunterhalts-Berechnung berücksichtigt. Denn Ehepartner sind einander ebenfalls unterhaltspflichtig. Und der Ehegattenunterhalt hat Vorrang vor dem Elternunterhalt. Daher steht nur der Teil des Einkommens für den Elternunterhalt zur Verfügung, der nicht dem Partner zustünde.

„Das Angehörigen-Entlastungsgesetz gilt aber nicht, wenn die unterhaltsberechtigten Eltern selbst untereinander Unterhalt zahlen müssen”, erläutert der Rechtsexperte. Wenn der pflegebedürftige Ehepartner ins Pflegeheim kommt, während der andere zu Hause wohnen bleibt, muss letzterer sich an den Heimkosten beteiligen, auch wenn sein Durchschnittseinkommen unter 100.000 Euro liegt.

Kann man Elternunterhalt vermeiden oder umgehen?

Elternunterhalt kann nicht verweigert werden. Die pflichtwidrige Verweigerung einer Unterhaltszahlung an die Eltern trotz Leistungsfähigkeit des Kindes kann sogar strafrechtliche Folgen

haben. Allerdings gibt es auch eine Reihe gesetzlicher Ausnahmen, die ein Kind teilweise oder gänzlich vom Elternunterhalt befreien. Damit sich Kinder erfolgreich gegen eine Elternunterhalts-Forderung verteidigen können, muss eine Verpflichtung des Kindes zur Zahlung von Elternunterhalt bspw. als unbillig anerkannt werden.

Unbillige Härte

Eine unbillige Härte laut § 1611 BGB kann bspw. in Betracht kommen, wenn der Elternteil seine Armut selbst verschuldet hat. Darunter fallen Spiel-, Alkohol- und Drogensucht. Dies gilt allerdings nur, wenn eine Behandlung der Sucht vom Betroffenen abgelehnt wurde. Ebenfalls kann eine unbillige Härte vorliegen, wenn der Elternteil seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind in der Vergangenheit erheblich vernachlässigt hat.

Grobe Unbilligkeit

Grobe Unbilligkeit fußt auf persönlichem Fehlverhalten des Elternteils gegenüber dem unterhaltspflichtigen Kind. Dazu zählen beispielsweise Bedrohung, sexueller Missbrauch oder andere körperliche Übergriffe.

Auch wenn Elternunterhalt für die Betroffenen oft eine emotionale Herausforderung ist, muss jeder Einzelfall geprüft werden. „Dabei kann die telefonische Rechtsberatung der ROLAND Rechtsschutzversicherung weiterhelfen”, empfiehlt Rechtsanwalt Dr. Norbert Gierlach.

Frau und Mann sitzen nebeneinander auf einem Sofa. Sie schauen sich gemeinsam den ROLAND Newsletter auf einem Tablet an.

ROLAND Newsletter erhalten

Ihre Rechte kennen und nachhaltige Lösungen für ein besseres Miteinander finden? Unsere Rechtstipps für den Alltag helfen Ihnen dabei!
Bitte füllen Sie das Pflichtfeld aus.
Bitte füllen Sie das Pflichtfeld aus.

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 19. Juni 2024 veröffentlicht (Haftungsausschluss).

Unser Partneranwalt

Rechtsanwalt Dr. Norbert Gierlach ist seit 1994 Experte für Familienrecht. In der Bonner Kanzlei Eimer Heuschmid Mehle Rechtsanwälte berät er Mandanten vor allem zu Fragen rund um die Themen Familienrecht und Erbrecht. Die Anwälte der Kanzlei vertreten Privatpersonen, Unternehmen, Behörden und Verbände.

Dr. Norbert Gierlach

Dr. Norbert Gierlach

Eimer Heuschmid Mehle Rechtsanwälte

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Privatrechtsschutz“