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Massenentlassung nach § 17 KSchG & Personalabbau: Was Du wissen musst

Karriere & Beruf

In Krisenzeiten können Massenentlassungen ein notwendiges Mittel zur Rettung des Unternehmens sein. Aber welche Rechte haben Arbeitnehmer bei einem erheblichen Personalabbau? Und welche Pflichten haben die Unternehmen?

Alles Wichtige zum Personalabbau per Massenentlassung erklären wir dir gemeinsam mit Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Andreas Bietmann von der Sozietät Bietmann Rechtsanwälte Steuerberater PartmbB mit Niederlassungen in Köln, Bonn, Berlin, München, u.a. in diesem Artikel. Hier erfährst du, was eine Massenentlassungsanzeige ist, welche Schwellenwerte einzuhalten sind, welche Rolle der Betriebsrat einnimmt und wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) darauf blickt.

Definition Massenentlassung: Ab wann spricht man davon?

Entlassungswellen aus wirtschaftlichen Gründen kommen in Unternehmen immer wieder vor. Bei größeren Maßnahmen bekannter Unternehmen berichtet regelmäßig die Presse hierüber.

Aber wann bezeichnet man die Trennung von mehreren Arbeitnehmern als Massenentlassung?

Die entsprechenden Vorschriften über „Massenentlassungen“ finden sich in den §§ 17 bis 22 Kündigungsschutzgesetz (nachfolgend: KSchG). Das KSchG benutzt das Wort „Massenentlassung“ allerdings nicht. Im Gesetz wird als Überschrift des dritten Abschnitts und in den jeweiligen Normen von „Anzeigepflichtigen Entlassungen“ gesprochen. Der Begriff Massenentlassung hat sich in der Praxis etabliert.

Von einer Anzeigepflichtigen Entlassung (nachfolgend: Massenentlassung) spricht man, wenn der Arbeitgeber innerhalb von 30 Kalendertagen eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern entlässt. Das Gesetz definiert in § 17 Abs. 1 KSchG hierzu drei Schwellenwerte abhängig von der Betriebsgröße. Zu beachten ist, dass diesen Entlassungen andere vom Arbeitgeber veranlasste Beendigungen von Arbeitsverhältnissen gleichstehen. So werden auch vom Arbeitgeber veranlasste Aufhebungsverträge, Renteneintritte und sogar im Einzelfall Eigenkündigungen erfasst, wenn der Arbeitnehmer hiermit einer betriebsbedingten Kündigung zuvorkommen möchte. Keine Entlassung i. S. d. Vorschrift liegt hingegen vor, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses allein auf Initiative des Arbeitnehmers beruht.

„Insbesondere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis noch nicht länger als 6 Monate (sog. Wartezeit) besteht, sind von dieser Art des Personalabbaus häufig betroffen. Dies liegt daran, dass das Kündigungsschutzgesetz erst bei Arbeitsverhältnissen anwendbar ist, die in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestehen. Weitere Voraussetzung ist die Beschäftigung von in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmern (vgl. § 23 Abs. 1 KSchG). Natürlich trennen sich die Unternehmen bei größeren Abbaumaßnahmen insbesondere von Arbeitnehmern deren Wartezeit noch läuft.”, erwähnt Rechtsanwalt Dr. Bietmann.

Massenentlassung & Aufhebungsverträge

Bei größeren Personalabbaumaßnahmen haben sich in der Praxis sog. „Freiwilligenprogramme“ bewährt. Ziel dieser Programme ist der Abbau von Personal durch Aufhebungsverträge. Angesichts der in diesen Fällen erforderlichen Zustimmung beider Arbeitsvertragsparteien müssen die Inhalte des Aufhebungsvertrages für den Arbeitnehmer natürlich attraktiv sein, also in der Regel auch eine interessante Abfindungsregelung enthalten. Der Vorteil für den Arbeitgeber ist hierbei, dass angesichts der Zustimmung des Arbeitnehmers zur Vertragsbeendigung im Gegensatz zum Ausspruch einer einseitig vom Arbeitgeber veranlassten Kündigung kein Kündigungsschutzklageverfahren vor den Arbeitsgerichten mit ungewissem Ausgang droht. Bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages kann der Arbeitgeber exakt berechnen, welches finanzielle Volumen zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses benötigt wird und wann das Arbeitsverhältnis endet. Dies bringt den Arbeitgebern eine hohe Planungssicherheit.

Aber wann müssen Vertragsbeendigungen durch Aufhebungsvertrag bei Massenentlassungen überhaupt berücksichtigt werden?

Zu unterscheiden sind zwei Fälle:

  • 1. Arbeitnehmer schließen mit ihrem Arbeitgeber Aufhebungsverträge, um einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber zuvorzukommen: Diese Form der Arbeitsvertragsbeendigung steht der Entlassung, mithin der Arbeitgeberkündigung, gleich. Solche Fälle werden in die Berechnung der Schwellenwerte für die Massenentlassung einbezogen. Werden Aufhebungsverträge im Rahmen von größeren Personalabbaumaßnahmen geschlossen, ist dies die Regel.
  • 2. Der Abschluss des Aufhebungsvertrages geht allein auf die Initiative des Arbeitnehmers zurück, ohne dass eine betriebsbedingte Kündigung vermieden werden sollte. Dies sind insbesondere Fälle, in denen der Arbeitnehmer sich anderweitig beworben hat und das Arbeitsverhältnis aus freien Stücken aufheben möchte: Diese Art der Entlassung wird nicht in die Berechnung der Schwellenwerte für eine Massenentlassung einbezogen. „Zu beachten ist aber, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung wiederum zu berücksichtigen ist, weshalb die jeweiligen Gesamtumstände des Einzelfalls sehr genau betrachtet werden müssen“, so Rechtsanwalt Dr. Bietmann.

Ist der Schwellenwert für eine Massenentlassung erreicht, müssen die Arbeitgeber der Agentur für Arbeit vor Umsetzung des Personalabbaus eine Anzeige über die geplanten Entlassungen erstatten. Von daher nutzt das Gesetz auch den Terminus „Anzeigepflichtige Entlassungen“.

Schwellenwerte für Massenentlassungen

Diese Schwellenwerte gelten für eine Massenentlassung gemäß Kündigungsschutzgesetz ( §17 Abs 1 KschG). Zu berücksichtigen sind alle Entlassungen innerhalb von 30 Kalendertagen.

Betriebe mit … (Arbeitnehmeranzahl)Durch Entlassung betroffene Arbeitnehmer
in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmernmehr als 5 Arbeitnehmer
in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 % der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer
in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmernmindestens 30 Arbeitnehmer

Folgende Vertragsbeendigungen müssen bei der Berechnung des Schwellenwerts nicht berücksichtigt werden:

„Betroffene Arbeitnehmer haben bei Kündigungen im Rahmen einer Massenentlassung keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung. Einen Anspruch auf eine Abfindung regelt aber oftmals ein zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgehandelter Sozialplan oder eben eine Betriebsvereinbarung über ein Freiwilligenprogramm. Dem Arbeitnehmer steht es im Kündigungsfall frei, sich mittels Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung zu wehren. Die Klagefrist beträgt drei Wochen nach Zugang der Kündigung. Da beide Vertragsparteien in der Praxis regelmäßig nicht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anstreben, sondern dessen Beendigung, enden diese Verfahren vielfach durch eine gütliche Einigung. In diesen Vergleichen zahlen die Unternehmen im Gegenzug für die Vertragsbeendigung vielfach Abfindungen an die Arbeitnehmer“, informiert Rechtsanwalt Dr. Bietmann. Er betont, dass „auch bei Sozialplänen und hieraus erwachsenden Abfindungsansprüchen ein Klageverfahren sinnvoll sein kann, um eine höhere Zahlung zu erwirken oder andere Interessen durchzusetzen. Erfreulich für den Arbeitnehmer ist hierbei, dass bei einem Unterliegen im Kündigungsschutzverfahren im Normalfall jedenfalls der Abfindungsanspruch nach dem Sozialplan greift. Der Arbeitnehmer kann hierbei also gar nicht verlieren“, so Dr. Bietmann.

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Beispiel für eine Massenentlassung:

In der K. GmbH arbeiten in der Regel mindestens 80 Arbeitnehmer. Aufgrund der schlechten Auftragslage plant der Betrieb, neun Arbeitnehmer zu entlassen. Daher sind über 10 % der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer betroffen. Somit muss die Geschäftsführung der K. GmbH vor Ausspruch von Kündigungen eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit vornehmen, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG.

Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit

Bevor der Arbeitgeber Entlassungen vornimmt, muss eine schriftliche Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erfolgen. Durch die korrekte Erfüllung der Anzeigepflicht soll die Agentur für Arbeit über den geplanten Personalabbau informiert und hierdurch in die Lage versetzt werden, die Folgen der Entlassungen für die Betroffenen möglichst zu mildern und diese frühestmöglich unterstützen zu können.

Gemeinsam mit dem Unternehmen und den betroffenen Arbeitnehmern wird die Agentur für Arbeit versuchen, die drohende Arbeitslosigkeit zu verhindern. „Eine unterlassene oder fehlerhafte Anzeige führt nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Unwirksamkeit aller Kündigungen”, betont Rechtsanwalt Dr. Bietmann. Er deutet allerdings darauf, dass derzeit ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig ist, wo diese Frage überprüft wird (s. ausführlich unten).

Folgenden Inhalt muss eine Massenentlassungsanzeige haben (§ 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG):

  • Name des Arbeitgebers und seinen Sitz
  • Art des Betriebs
  • Gründe für die geplanten Entlassungen
  • die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer
  • die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer
  • den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen
  • die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer (Stichwort: Sozialauswahl)

In der Anzeige sollen außerdem im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die zukünftige Jobvermittlung folgende Angaben zu den zu entlassenden Arbeitnehmern gemacht werden:

  • Geschlecht
  • Alter
  • Beruf
  • Staatsangehörigkeit

Der Arbeitgeber hat zudem dem Betriebsrat eine Kopie der Massenentlassungsanzeige zuzuleiten. Zusätzlich kann der Betriebsrat gegenüber der Agentur für Arbeit Stellungnahmen abgeben. Allerdings muss das Unternehmen dann ebenfalls eine Kopie der Stellungnahme(n) bekommen.

In § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist zudem normiert, dass der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit gleichzeitig mit seiner Anzeige eine Abschrift seiner Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten hat. Diese Übermittlungspflicht bezweckt laut EuGH allerdings nicht den Schutz der betroffenen Arbeitnehmer, sondern dient nur der Information der Agentur für Arbeit. Daher führt die unterlassene Übermittlung nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungen.

„Durch die Massenentlassungsanzeige tritt nach § 18 Abs. 1 KSchG automatisch eine Entlassungssperre von einem Monat gerechnet ab dem Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit in Kraft. Vor Ablauf dieser Frist vorgenommene Entlassungen werden nur dann wirksam, wenn die Agentur für Arbeit dem ausdrücklich, ggf. rückwirkend, zustimmt”, erklärt Rechtsanwalt Dr. Bietmann.

Nach der wirksamen Anzeige der Massenentlassung können allerdings umgehend, also auch während der einmonatigen Entlassungssperre, Kündigungen ausgesprochen und zugestellt werden. Die Arbeitsverhältnisse enden aber frühestens mit Ablauf der einmonatigen Sperrfrist. Die jeweiligen Kündigungsfristen richten sich nach den Regelungen im Arbeitsvertrag, eines anwendbaren Tarifvertrages oder nach der gesetzlichen Regelung des § 622 BGB (z. B. 4 Wochen zum Monatsende o. ä.). Beträgt die Kündigungsfrist 1 Monat oder mehr hat die Entlassungssperre des § 18 KSchG wegen der längeren Kündigungsfrist keine Auswirkung auf das Beendigungsdatum.

Sofern in deinem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, ist es bei Massenentlassungen ratsam, diesen zu konsultieren. Der Betriebsrat kennt in aller Regel die Hintergründe der Maßnahme und kann die Arbeitnehmer entsprechend beraten.

Die Rolle des Betriebsrats bei Massenentlassungen

Der Betriebsrat ist die Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Betrieb und spielt bei Massenentlassungen eine wichtige Rolle. Beabsichtigt der Arbeitgeber anzeigepflichtige Entlassungen, hat er dem Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über:

  • die Gründe für die geplanten Entlassungen
  • die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer
  • die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer
  • den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen
  • die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer
  • die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien

Es gibt neben dieser Auskunfts- und Anzeigepflicht des Arbeitgebers zudem eine Beratungspflicht, wonach Arbeitgeber und Betriebsrat die Möglichkeiten zu beraten haben, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

Außerdem muss vor jeder einzelnen Kündigung – auch im Rahmen einer Massenentlassung – der Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz angehört werden. Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen.

Wichtig für den Arbeitgeber ist bei betriebsbedingten Kündigungen, dass er eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchführt. Anderenfalls können die Arbeitnehmer mittels Kündigungsschutzklage feststellen lassen, dass ihre Kündigung sozial ungerechtfertigt ist und ihr Arbeitsverhältnis fortbesteht. Eine Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine etwaige Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Exkurs: Konsultationsverfahren

Das Unternehmen und der Betriebsrat beraten, wie Entlassungen eventuell noch vermieden, eingeschränkt bzw. die (wirtschaftlichen) Folgen für Arbeitnehmer abgemildert werden können. In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern handelt es sich bei größeren Personalabbaumaßnahmen zumeist auch um eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG. In diesen Fällen sollen Arbeitgeber und Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln, siehe auch § 112 BetrVG.

Der Betriebsrat erstellt nach Ende der Beratungen eine Stellungnahme zur geplanten Massenentlassung. Diese muss das Unternehmen zusammen mit der Anzeige zur Massenentlassung an die Agentur für Arbeit übermitteln. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrates nicht vor, muss er gegenüber der Agentur für Arbeit glaubhaft machen, dass er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige unterrichtet hat. Zudem muss er den Stand der Beratungen darlegen.

„Die Information über den beabsichtigten Personalabbau an den Betriebsrat sollte so früh wie möglich erfolgen. Das Gesetz spricht von „rechtzeitig“. Nur so sind offene und konstruktive Verhandlungen möglich, um eine angemessene Lösung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erarbeiten”, weiß Rechtsanwalt Dr. Bietmann aus seiner langjährigen Beratungspraxis.

Wenn der Betriebsrat erst spät einbezogen wird, sind langwierige und zeitraubende Verhandlungen oder eine rechtliche Auseinandersetzung häufig die Folge. ROLAND kann in solchen Fällen mit einer Mediation durch erfahrene Anwaltskanzleien dabei unterstützen, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

EuGH könnte Auslegung bei Massenentlassung verändern

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, weshalb der EuGH die deutsche Rechtsprechung beeinflusst.

Sofern in einem gerichtlichen Verfahren eine Frage zur Auslegung des EU-Rechts aufkommt, kann es diese Frage dem EuGH mit einem sog. „Vorabentscheidungsersuchen” vorlegen. Sofern es sich um ein Gericht der letzten Instanz handelt, ist dies laut dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union sogar zwingend vorgeschrieben. In Deutschland sind das die Bundesgerichte wie zum Beispiel der Bundesfinanzhof für Steuersachen (BfH), der Bundesgerichtshof (BGH) oder das BAG.

Das BAG hat dies im Bereich der Massenentlassung bereits einige Male getan. Der EuGH kam – wie oben bereits erwähnt – in einem Urteil aus Juli 2023 zu dem Schluss, dass ein Verstoß gegen die Pflicht zur Übermittlung einer Kopie der Mitteilung an den Betriebsrat an die Agentur für Arbeit gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungen führt.

Aktuell haben der zweite und sechste Senat des BAG dem EuGH Fragen zur Auslegung des § 17 KSchG gestellt. Der EuGH hat nun insbesondere darüber zu entscheiden, ob Fehler im Anzeigeverfahren auch dann erheblich sind, wenn die Agentur für Arbeit eine – objektiv fehlerhafte – Massenentlassungsanzeige nicht beanstandet und sich damit als ausreichend informiert betrachtet und ob fehlerhafte oder gänzlich fehlende Massenentlassungsanzeigen nach Zugang einer Kündigung korrigiert bzw. ergänzt oder nachgeholt werden können. In diesem Fall waren sich der zweite und sechste Senat des BAG nicht einig. Denn für das Fehlen oder die Fehlerhaftigkeit einer Massenentlassungsanzeige sind in § 17 KSchG keine Strafen oder sonstige Sanktionen vorgesehen. Insoweit möchte der sechste Senat des BAG nicht länger an der bisherigen Rechtsprechung des BAG festhalten. Das BAG hatte zuletzt in 2012 klargestellt, dass eine fehlende oder unrichtige Massenentlassungsanzeige zur Unwirksamkeit der in der Folge ausgesprochenen Kündigungen führt.

Das EuGH-Verfahren wird aufgrund seiner erheblichen Auswirkungen für die Praxis der Massenentlassungsanzeigen mit Spannung verfolgt. „Die erwartete EuGH-Entscheidung könnte Massenentlassungen etwas arbeitgeberfreundlicher machen und für deutliche Erleichterungen in der Praxis bei Massenentlassungsanzeigen führen. Kündigungen könnten je nach Entscheidung nicht mehr so leicht wegen kleineren Formfehlern bei der Massenentlassungsanzeige von den Gerichten als unwirksam eingestuft werden”, ordnet Rechtsanwalt Dr. Bietmann die Tragweite des laufenden Verfahrens beim EUGH ein. Unabhängig von der Entscheidung des EuGHs sollten Arbeitgeber aber weiterhin große Sorgfalt bei der Massenentlassungsanzeige walten lassen, da einstweilen die bisherige BAG-Rechtsprechung gilt. Dr. Bietmann ist sich sicher, dass das „Thema „Massenentlassungsanzeige“ auch zukünftig weiterhin zu vielen rechtlichen Diskussionen und spannenden gerichtlichen Entscheidungen führen wird“.

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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 01. Oktober 2024 veröffentlicht (Haftungsausschluss).

Unser Partneranwalt

Rechtsanwalt Dr. Andreas Bietmann ist Fachanwalt für Arbeits- und Steuerrecht und seit 2018 geschäftsführender Partner der Sozietät Bietmann, welche ihren Stammsitz in Köln und weitere Niederlassungen u.a. in Berlin, Bonn, Erfurt, Duisburg und München hat. Er verfügt über vielfältige Erfahrungen in der Beratung von Unternehmen, Betriebsräten und Führungskräften auf den Gebieten des Arbeits-, Gesellschafts- und Steuerrechts. Neben seinen Tätigkeiten als Rechtsanwalt tritt Dr. Andreas Bietmann auch als Dozent auf. Zudem wird er in den Fachmagazinen „WirtschaftsWoche“ und „Focus“ als einer der renommiertesten Anwälte im Arbeitsrecht gelistet. Er spricht verhandlungssicher Englisch.

Dr. Andreas Bietmann

Dr. Andreas Bietmann

Sozietät Bietmann

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Arbeits- und Berufsrechtsschutz“